STANDARD: Zu Beginn Ihres Films plaudern Künstler in einem Café über den Unterschied zwischen Komödie und Tragödie - wäre das eine typische Szene aus Ihrem Leben? Woody Allen: Absolut, die tun genau das, was ich selbst gerne in den Cafés von New York mache. Ich habe diesmal allerdings darauf verzichtet, selbst vor der Kamera aufzutreten, weil ich einfach glaube, dass meine Anwesenheit das Publikum meistens ablenkt.
STANDARD: Tragödie oder Komödie - für welche Variante würden Sie sich entscheiden? Allen: Mein Sicht auf die Welt ist eine tragische. Es gibt Menschen, die nehmen das Leben tragisch. Und dann gibt es Menschen, die nehmen das Leben so sehr tragisch, dass sie darüber Witze machen. Sie empfinden das Leben derart schrecklich, dass sie ohne dieses Mittel des Humors wohl Selbstmord begehen müssten.
Ich bin ein sehr tragischer Mensch. Wobei alle Komödianten, die ich in meinem Leben bislang getroffen haben, immer ganz ähnlich gelitten haben. Es klingt wie ein Klischee, aber wer die Biografien von Clowns und Komödianten näher betrachten, sieht es bestätigt: W. C. Fields, Buster Keaton, Charlie Chaplin oder die Marx-Brothers . . .
STANDARD: Vielleicht wären Sie unter der Sonne von Kalifornien glücklicher? Allen: Es könnte sicher einen Westküsten-Woody-Allen geben - aber wohl kaum für lange. Für mich ist das Wetter in London ideal. Es gibt Untersuchungen, dass Leute depressiv werden, wenn das Wetter zu lange grau ist. Mir geht es genau umgekehrt. Wenn morgens in New York die Sonne scheint, fühle ich mich miserabel. Wenn es bewölkt ist, fühle ich mich wunderbar. Meinen letzten Film Match Point habe ich in London gedreht. Es war ein derart fantastisches Erlebnis, dass ich fast schon umziehen wollte.
STANDARD: Haben Sie jemals im Kino geweint? Allen: Ich weine ständig im Kino. Es ist der einzige Ort, an dem ich das überhaupt kann, sonst fallen mir Tränen überhaupt nicht leicht. Bei Hannah und ihre Schwestern hatte ich zum Beispiel eine Szene, in der ich weinen sollte. Wir haben alle möglichen Tricks versucht, aber es ging einfach nicht. Im Kino dagegen kann ich schon bei bestimmten Musikstücken heulen - das ist einfach magisch.
STANDARD: Hat der neurotische Pessimist nie vergnügliche Stunden? Allen: Das Leben steckt voller glücklicher Momente: Man gewinnt im Lotto, man sieht eine hübsche Frau, man hat ein gutes Essen. Aber wenn man von diesen persönlichen Glücksmomenten Abstand nimmt und wieder das große Ganze sieht, sind das alles eben immer nur kleine Oasen. Die menschliche Existenz als solche ist nicht sehr angenehm.
Und man ist viel mehr vom Glück abhängig als man glaubt. Die Leute sagen, an einer guten Beziehung müsse man arbeiten. Bei anderen Sachen hört man das nie! Wer gerne segelt oder zum Fußball geht wird niemals sagen: Ich muss daran arbeiten. Man liebt das ganz einfach. Deswegen glaube ich auch nicht, dass man an einer Beziehung arbeiten kann. Man muss einfach Glück haben. Wenn dieses Glück fehlt, muss man sich auf eine gewisse Portion Leiden gefasst machen. Die meisten Beziehungen bestehen doch aus Leid. Es ist sehr selten, dass es auf Dauer die große Liebe gibt - und wenn, dann ist das Glück.
STANDARD: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Beruf? Allen: Ich war ein schlechter Schüler, alle meine Freunde ergriffen richtige Berufe, wurden Ärzte oder Juristen. Ich flog von der Schule, weil ich zu schlecht war. Zum Glück konnte ich mein einziges Talent des Komikers zum Lebensunterhalt benutzen. Bei allen anderen Dingen bin ich ein Versager. Selbst einfachste Dinge bereiten mir Schwierigkeiten: Vom Einchecken im Flugplatz bis zum Umtausch in einem Geschäft. Ich kann noch nicht einmal das Farbband an meiner Schreibmaschine wechseln, auf der ich seit über 50 Jahren schreibe.
STANDARD: Wie weit taugt das Filmemachen als Therapie? Allen: Jede Art von Arbeit ist eine gute Therapie. Im Laufe der Jahre hatte ich viele Psychoanalysen, die mir immer auch ein wenig geholfen haben. Allerdings hatte ich gedacht, Psychoanalyse würde mir viel mehr helfen.