Oben und unten: Innenansicht des Yurp-Kinos in der Hütteldorferstraße

Foto: YURP-NETWORK
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Was ist der Unterschied zwischen einer Bürogemeinschaft und einem Gemeinschaftsbüro? Gemeinschaftsbüros haben Namen. Sie heißen Schraubenfabrik, Pferdestall oder Wäscherei. Ein weiteres Gemeinschaftsbüro im Stil der ehemaligen Fabriken, Gaststätten und Handwerksbetriebe ist das „Yurp-Kino“ in der Hütteldorfer Straße im 14. Wiener Gemeindebezirk. Von den früheren Lichtspielen sind noch die Logen, Filmprojektoren und eine Atmosphäre vorhanden, die vermittelt: Hier herrschen Konzentration und Bewegung.

Einander befruchten

Sieben Firmen oder dreizehn Personen sind zurzeit im ehemaligen Kino angesiedelt, und es sollen noch mehr werden. „Wir suchen noch zwei UntermieterInnen“, sagt Lev Ledit, dessen Game Design- und Multimediaunternehmen LeasLoop im Kino seinen Sitz hat. Bevorzugt würden Menschen in Kreativberufen, die möglichst wenig mit den schon im Kino vertretenen Professionen zu tun haben. „Landschaftsplaner oder Architekten“ stellt sich etwa Ledit vor – weil sie „ganz anders denken als wir und wir einander so am besten befruchten können“.

Die Geburt des Yurp-Kinos liegt eineinhalb Jahre zurück. Ledit und Kommunikationsdesigner Harald Hackel waren auf der Suche nach einer gemeinsamen Bürounterkunft. Nach einer Serie enttäuschender Bürobesichtigungen kam der Makler auf ein „altes Kino in schlechtem Zustand“ zu sprechen – bald darauf war der Vertrag gesichert: Satte eineinhalb Jahre später war das Kino saniert, die beiden Hauptmieter konnten einziehen. Auf den Name Yurp – US-Slang für „Europe“ – hätten sie sich ziemlich schnell geeinigt, so Hackel. Er klinge witzig und symbolisiere auch das Grenzüberschreitende am Kinoprojekt.

Gruppen-Atmosphäre

Nach rund einem Jahr kam es zum ersten Schichtwechsel im Kino. Neue UntermieterInnen lösten die alten ab. Hatten sie bewusst nach einem Gemeinschaftsbüro gesucht? Ja, sagt David Figar, gemeinsam mit Kollege Martin Zauder 25 Jahre junger Geschäftsführer der Werbeagentur fleXible marketing: „Wir haben bewusst nach einer Gemeinschaftslösung gesucht.“ Auch Martin Reitbauer und Michael Schachinger, Geschäftsführer der Websoftware-Firma intevo, hätten dem Kino im vierzehnten Bezirk einer Solo-Lösung in zentralerer Lage den Vorzug gegeben. „Die Atmosphäre war ausschlaggeben: Hier fällt einem die Decke nicht so schnell auf den Kopf“, meint Reitbauer.

Wuzzler und Billardtisch

Die Möglichkeit, Synergien zu nutzen, sei ein wichtiger Grund gewesen, ins Kino zu ziehen, sagt Figar. „Diverse Provisionen und Anmeldungskosten für die Infrastruktur sind uns erspart geblieben. Und den Vorteil, mit einem Webdesigner das Büro zu teilen, haben wir auch gleich genutzt.“ Als positiv wird auch die großzügige Infrastruktur empfunden: Die Ausgaben für Billardtisch, Wuzzler (beide in Miniaturausführung), Espressomaschine und möglicherweise bald auch einen Beamer werden geteilt. Während Konferenzräume im Singlebüro zu einer kostspieligen Angelegenheit werden, sind die dafür aufzubringenden Mittel im Gemeinschaftsoffice vergleichsweise gering.

Lev Ledit betont auch die Transparenz der Kosten als entscheidenden Vorteil: „Im Schreibtischpreis von 200 Euro sind nicht nur die Miete für Arbeitsplatz und Gemeinschaftsräume (inklusive Schlafraum und Dusche) enthalten, sondern auch die Fixkosten von Telefon, Internet, Heizung und Reinigungsdienst.“ Deutlich negative Aspekte können die „Yurpeans“ am System Gemeinschaftsbüro nicht entdecken. „Wir hatten erwartet, der höhere Geräuschpegel könnte die Konzentration beeinträchtigen. Aber nach einer Woche stellten wir fest: Wir brauchen mehr MieterInnen – es war einfach zu leise.“ (mas)