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"Bad news are good news". Katastrophen, Pleiten und Tragödien stoßen in der breiten Öffentlichkeit auf erhöhte Aufmerksamkeit. Dies gilt auch für politische Themen und so erstaunt es nicht, dass das Interesse der Bevölkerung an der EU deutlich zugenommen hat, seitdem die Krise Europas sich nicht mehr hinter Brüsseler und Straßburger Türen verbergen lässt.

Europaweites Netzwerk

"Die Nachfrage nach Informationen über die EU ist gestiegen", bestätigt Alexandra Schantl vom Wiener Infobüro EuropeDirect im Gespräch mit derStandard.at. Schon im Vorfeld des französischen Referendums über die EU- Verfassung begannen auch die BürgerInnen in Österreich, sich verstärkt für die EU zu interessieren: 30.000 Verfassungsverträge wurden über die EuropeDirect- Infostellen, Bund, Stadt und Länder von der Bevölkerung angefragt.

EuropeDirect (ehemals Infopoint Europa) informiert seit Mai 2005 als Teil der EU-weiten Kommunikationskampagne über die EU. Im Arbeitsalltag sehen sich die MitarbeiterInnen von EuropeDirect - ob im Rahmen von Infotouren oder in E-Mail-Anfragen - vor allem mit skeptischen EU-BürgerInnen konfrontiert: "Wenn es Schlagzeilen über Europa gibt, sind die meistens negativ. Dementsprechend ist das Image der EU in der Bevölkerung", so Schantl.

EU verständlich machen

Info-Dauerbrenner sind Themen wie EU-Förderungen oder Anfragen zu Job- oder Wohnsitzwechsel innerhalb der EU. "Informationen, die einen privaten Nutzwert haben, sind immer gefragt. Zu politischen Themenbereichen kommen wenige Anfragen, die sind meist beruflicher Natur," berichtet Schantl aus ihrem Joballtag, in dem sie oft das Gefühl hat, "Eulen nach Athen zu tragen". Marc Fähndrich von der Vertretung der EU-Kommission in Österreich allerdings hält die ÖsterreicherInnen für durchaus informiert: "Vor allem was die Erweiterung anbelangt, existiert prinzipiell ein großes Interesse." Er gesteht aber ein: "Man kann trotzdem nicht von jedem verlangen, den EU-Verfassungsvertrag zu lesen."

Während EuropeDirect eine Serviceeinrichtung der EU ist, ist der gemeinnützige Verein "Europa Einfach" sowie die vom Verein betriebene Homepage europa-digital.de von der EU vollständig unabhängig. Herausgeber Axel Heyer und seine "Mitstreiter" - wie er seine MitarbeiterInnen nennt - haben es sich zur Aufgabe gemacht, über die Institutionen und die Politik der EU zu informieren, und zwar "in einem möglichst einfachen Jargon". "Was in Brüssel und Straßburg jeden Tag passiert, kann bei dem "normalen Menschen zu Hause" relativ schwer haften bleiben, wenn er kein Experte ist", erklärt Heyer im Gespräch mit derStandard.at. "Er braucht den Kontext dieser Information. Also zum Beispiel: Was macht noch mal die Kommission und wie ist das mit dem Parlament? Wie entsteht eigentlich eine Richtlinie?"

europa-digital.de bietet den Interessierten dazu eine breite Palette an Informationen an. Im Dschungelbuch werden die Leserinnen durch den "Brüsseler Info-Dschungel" geführt, unter dem Titel "25 Plus" werden die europäischen Länder vorgestellt, es gibt Linklisten, einen EU-Kalender oder die Wochenschau", die einen Überblick über Themen gibt, die in Brüssel auf der Tagesordnung stehen.

Dossiers

Abgesehen davon informiert europa-digital.de im Rahmen von Dossiers ausführlicher über bestimmte Themen. Anlässlich der Anschläge von London beschäftigt sich ein Dossier mit der EU-Antiterrorpolitik, bei dem das Thema von vielen verschiedenen Seiten beleuchtet wird. Aktualität stehe bei der Auswahl der Themen zwar nicht immer im Vordergrund, "aber es ist natürlich schöner, wenn man den Leuten etwas bieten kann, womit sie auch gerade etwas verbinden", so Heyer.

Im Moment haben die MitarbeiterInnen von europa-digital.de viel zu tun: Beginn der britischen EU-Präsidentschaft, Anschläge in London oder Referendum über die EU-Verfassung in Luxemburg

Propaganda?

Die Frage, ob sich die Homepage trotz aller Unabhängigkeit bisweilen in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen Information und Propaganda bewegt, will der Herausgeber so nicht gelten lassen: "Wir sind tatsächlich europhil und halten das Projekt für sympathisch und unterstützenswert." Allerdings betont er zugleich: "Ich denke nicht, dass es etwas mit Propaganda zu tun hat, wenn man versucht, die Fakten auf verständliche Art aufzudröseln. Dadurch ermöglichen wir es den Lesern erst, sich offen mit der Thematik zu beschäftigen."

"Wie Wikipedia für Europa

Genutzt wird das Angebot in erster Linie von AkademikerInnen oder von Studierenden und SchülerInnen. Rund 110.000 Visits verzeichnet die Homepage im Monat. Insgesamt arbeiten rund 130 RedakteurInnen an der Homepage mit, jede Woche sind ein bis drei neue MitarbeiterInnen im Einsatz - allesamt ehrenamtlich, denn anders als EuropeDirect ist die Homepage unabhängig und wird nicht von der EU gefördert. "Es ist wie Wikipedia für Europa: Jeder der möchte hat hier auch die Chance mitzutun", beschreibt Heyer das Konzept.

Dass die derzeitige Krise der EU eine gestiegene Publizität verschafft hat, merke man auch bei europa-digital.de. "In der Woche vor dem Referendum sind die Zugriffszahlen um zehn Prozent gestiegen", erzählt Heyer. In der derzeitigen Krise sieht er aber zugleich eine Chance: "Mehr Leute schauen hin, mehr Leute denken darüber nach und ich denke, dass die Bereitschaft gestiegen ist, da etwas zu unternehmen."