Foto: Der Standard/Fischer

Die vierte Dimension ist eine sagenhafte Sache: ahnungslos, wer sie nicht kennt - und infiziert, wer sie einmal erlebt hat. Nein, hier geht es weder um Drogenerfahrungen noch um Science-fiction, sondern schlicht um Wasser, genauer gesagt um die Welt im und unter Wasser und darum, wie Menschen sich dort fühlen. "Du machst nur einen Schritt, verlässt festen Boden und bist in einem Element, das sich ständig bewegt, sich verändert, dich zu einem Teil von ihm macht", formuliert die Surferin Maureen in "Step Into Liquid" ihre Liebe zum Wasser und teilt sie mit all den anderen, die sich auch im Wasser wohler fühlen als an Land. Wellenreiter zum Beispiel. Mit "Step Into Liquid" hat US-Regisseur Dana Brown das Element Wasser aus seiner Perspektive auf Zelluloid gebannt und einen Dokumentarfilm gedreht, der das deutsche Kinopublikum gerade in Ferienstimmung versetzt. Kalifornien, Hawaii oder Costa Rica: Hier reiten die weltbesten Surfer auf spektakulären Zehn-Meter-Brechern und tunnelartigen Wellen-Röhren scheinbar schwerelos. "Jede Sekunde des Films ist ein Produkt meiner Faszination für das Wasser", sagt Brown, der gänzlich ohne Stuntmen und Special Effects gearbeitet hat.

Abgesehen von den atemberaubenden Surfszenen haben auch die Männer hinter der Kamera großartige Arbeit geleistet. "Meine Kameraleute sind Delfine, Künstler und Akrobaten in einer Person", schwärmt Brown. Jack McCoy ist einer von ihnen. Auf Hawaii aufgewachsen, weiß er alles über Wellen und darüber, wie und wo man sie am besten filmt. Am Riff zum Beispiel, dort, wo sie brechen und am gewaltigsten sind. "Die Kunst ist, beim Filmen im seichten Wasser zu schwimmen und sich von der Wucht der Welle nicht beeinträchtigen zu lassen." Wenn es passiert, so McCoy, wäre das so, als ob zehn Mann auf einen einschlagen würden. Für einige Momente begleitet seine Kamera die Wellenreiter in Augenhöhe, im nächsten versinkt sie zusammen mit ihnen ins glitzernde Blau.

Manfred Wakolbinger, Bildhauer und Fotograf, arbeitet mit seiner Kamera ausschließlich unter Wasser. Er filmt nicht, er fotografiert. Seine Passion für die Unterwasserwelten ist fast so alt wie er selbst. Früher spielte er unter dem Küchentisch Tauchen, mittlerweile macht er es in den Meeren dieser Welt. "Oben und unten sind im Wasser aufgehoben, alles ist schwerelos, man ist in der vierten Dimension unterwegs", beschreibt er seine Faszination. Zusammen mit seiner Frau, der Künstlerin Anna Heindl durchforstet er diese Unterwasserwelten, findet mit dem Blick eines Künstlers seine Motive, drückt ab und bringt Bilder ans Tageslicht, die in Formen und Farbe spektakulärer nicht sein könnten.

"Bottom-Time" heißt der Bildband über ein verborgenes Universum, in dem die Psychotherapeutin Elisabeth Schleebrügge über Wakolbingers Fotos schreibt: "Die Faszination der Bilder rührt nicht nur daher, dass es sich um Botschaften aus dem sonst nicht Sichtbaren handelt, verführerisch, dieses Teilhaben am Geheimnis, über das es sonst nur Vermutungen gibt, sondern auch aus der Freisetzung des Blicks von der Begrifflichkeit, in der Berührung mit einer Welt, in der das Ungeschiedene, Ungewisse dominiert, die Uneindeutigkeit (Stein oder Lebewesen, Pflanze oder Tier) dominiert." Noch viel schöner werden die Bilder, wenn Wakolbinger, genauer Kenner der Unterwasserfauna, Geschichten darüber erzählt. Jene etwa vom "Schiffhalter", einem Fisch, der sich mit seiner Stirn an anderen Fischen festsaugt und sie als Transportmittel nutzt. Auf den Malediven entdeckten sie Wakolbingers Sauerstoffflasche, hefteten sich daran fest und schwammen - quasi huckepack - kilometerlang mit ihm mit. Eine andere Geschichte wiederum erzählt vom so genannten "Bobbit Worm", einem in der Form einem Penis ähnlichem Lebewesen, das seine Beute fängt, indem es sich aus dem Sand am Meeresgrund hochkatapultiert.

"Der Blitz erschreckt die Fische nicht, oftmals sind es aber die Luftblasen, vor denen sie panisch flüchten", berichtet Künstler Wakolbinger und ist sich durchaus bewusst, dass seine Passion einerseits mit der genauen Beobachtung, dann aber schon auch viel mit seinem Jagdinstinkt zu tun hat. Aber was Laien nur als glibberige Masse abtun, erkennt er als Lebensraum für Krebstiere, Schnecken und Muscheln. Filigrane "Skeleton Shrimps" in Nahaufnahme sind Wakolbingers Spezialität, wobei es ihm in seiner Arbeit weniger um Naturfotografie als vielmehr um die Ästhetik einer Komposition, also der Kombination aus Motiv, Hintergrund und der richtigen Beleuchtung geht. Und genau in diesem Punkt trennt sich der Profi Wakolbinger von der Masse der vielen Amateure, die zunehmend mit ihren Kameras in Tiefen abtauchen - und doch nur Schnappschüsse machen.

"Sobald man nicht mehr von der Technik des Tauchens in Anspruch genommen wird, kann man theoretisch mit dem Fotografieren beginnen", weiß der Wiener Harald Karl, Inhaber von Nautica, Europas einzigem Fachhändler, der ausschließlich auf Unterwasserfotografie spezialisiert ist. Für fast alle Digitalkameras gibt es bei ihm die passenden Plastikgehäuse, die die Geräte bis zu einer Tiefe von rund 40 Metern wasserdicht machen.

Das Einmaleins der Unterwasserfotografie hat Karl schnell erklärt. Bis in acht Meter Tiefe reicht das UV-Licht und sorgt für Farbe in den Bildern. Für alles, was tiefer liegt, braucht der Taucher entweder einen speziellen Filter vor der Linse oder künstliches Licht - einen Blitz oder eine Lampe -, um fotografieren zu können. Hat man diese künstlichen Lichtquellen nicht, fehlen die vom UV-Licht transportierten Rotanteile, ohne die Fotos in grünlichem Blau verschwimmen.

Die Sache mit dem Licht ist allerdings trickreich. "Man muss seinen Blitz so einstellen, dass nicht die Schwebstoffe im Wasser beleuchtet werden, sondern das Motiv", erklärt Wakolbinger. Mit herkömmlichen Kompaktkameras wäre das nur sehr schwer zu schaffen, weiß Karl, der für ambitionierte Fotografen deshalb externe Blitzgeräte zum Anstecken empfiehlt. Blitz und Objektiv sind durch einen Schwenkarm voneinander entfernt, die Schwebeteilchen bleiben unsichtbar. Eine Alternative vor allem für Unterwasserfilmer sind LED- oder Gasentladungslampen - allerdings eine Sache für Leute, die richtig gut tauchen können, denn die gesamte Ausrüstung müsse ja immer am Körper angeleint mittransportiert werden. Und für Anfänger, Laien und Schnappschussjäger hat er immer einen ganz simplen Rat parat: "Ran, ran, ran an den Fisch. Und: je näher, desto besser", lautet der. Wer größere Objekte wie Haie oder Wracks aus der Distanz fotografieren will, sollte mit Weitwinkelobjektiven, die mit speziellen Adapterringen an jede Kamera aufgesteckt werden können, arbeiten.

Was einfach klingt, ist im Endeffekt allerdings doch sehr schwierig. Wenn der Werbe- und Modefotograf Stefan Badegruber, der kein Tauchprofi ist, von seinen Unterwasser-Shootings erzählt, wird schnell klar, warum. "Es herrschen im Wasser einfach andere Gesetze, man kämpft mit dem Auftrieb, will mit den Armen schwimmen, kann aber nicht, weil man ja die Kamera hält und auch wenn man weiß, wie das Motiv gut in Szene zu setzen wäre, dauert es dreimal so lang, weil man immer wieder dran vorbeischwimmt", erzählt er. Für einen Unterwasserjob castet er seine Models auch unter Wasser, weil - wie er sagt - "die schönsten Menschen im Wasser blöde Gesichter machen und die tollsten Haare unter Wasser ganz schrecklich aussehen können".

Die Künstlerin Karin Ecker jedenfalls kommt fototechnisch im Wasser recht gut rüber. Zumindest hat die Profi-Taucherin das in einem "Eurythmics"-Video und dem Dokumentarfilm "Dolphin Story" bereits beweisen können. Mittlerweile steht sie selbst hinter der Kamera und hat - was sonst - das Wasser zu ihrem Motiv gemacht (und stellt zurzeit ihre Fotos bereits in der Galerie Underwa- teraustralia in Sydney aus).

"Durch die Schwerelosigkeit unter Wasser entsteht das Gefühl einer vollkommenen Freiheit, es ist eine vollkommen emotionale Welt", schwärmt sie und kommt damit zu einer ähnlichen Definition wie der Surf- und mittlerweile in den USA auch Kult-Regisseur Dana Brown. "In ,Step Into Liquid' hatte jeder von uns seine eigene Liebesaffäre mit dem Ozean", formuliert es Brown. Und Affären, das weiß man ja, sind eine aufregende Sache, aber gar nicht ungefährlich.

Sea & Sea DX-8000
Die perfekteste digitale Unterwasserkamera, weil sie bereits die Anschlüsse für einen externen Blitz integriert hat und weil man Weitwinkelobjektive ohne Adapter direkt unter Wasser anstecken kann. Fotografiert bis in eine Tiefe von 65 Metern.
8-Megapixel-Auflösung. Kamera und Gehäuse
795 Euro.

Sony W7
7 Megapixel. Fotografiert bis 40 Meter Tiefe. Carl-Zeiss-Objektiv. Kamera und Gehäuse 648 Euro.

Olympus µ DIGITAL 500
5 Megapixel. Fotografiert bis 40 Meter Tiefe.
Kamera und Gehäuse
559 Euro.

Canon Ixus 700.
7 Megapixel. Fotografiert bis in 40 Meter Tiefe. Kamera und Gehäuse im Set. 749 Euro

Nikon D70 Spiegelreflex-
kamera für Profis. Ausbau- und erweiterbar.
885 Euro. Gehäuse je nach Ausführung zwischen 990 und 2500 Euro. Externer Blitz 790 Euro.
(Der Standard/rondo/24/06/2005)