Aber wenn man daran echt und rasch etwas ändern will, muss man nicht nur die Bauern in den alten EU-Ländern, sondern auch die viel zahlreicheren in den neuen Mitgliedstaaten zu einer brutalen Rosskur verurteilen. Die Agrarreform unter dem ausgeschiedenen EU-Kommissar Franz Fischler zielte darauf ab, nicht so sehr die Produktion zu subventionieren, nicht einmal die Landwirtschaft im engeren Sinn, sondern den "ländlichen Raum" insgesamt, also etwa die Gründung von Gewerbebetrieben oder von Home-Teleworking auf dem Bauernhof, zu fördern. Der Sinn war, ländliche Gebiete nicht veröden zu lassen.
Das ist nach wie vor richtig und wird in den neuen Beitrittsländern noch wichtiger sein. Wenn Blair meint, Afrika, sein neues Interessengebiet, werde sich nie erholen, wenn es seine landwirtschaftlichen Produkte nicht frei nach Europa exportieren dürfe, so klingt das plausibel, hat aber zur Voraussetzung, dass europäische Bauern massenhaft aufhören (müssen). Es wird ohnehin in diese Richtung gehen, oder es geht schon – die EU hat freiwillig beschlossen, ihre Zuckerproduktion praktisch aufzulassen. Entwicklungsländer werden nachrücken. Der britische Außenminister Jack Straw stellte dem "vergangenheitsgefangenen" ein "zukunftstaugliches" Europa gegenüber. Tatsächlich ist es zukunftstauglicher, in Forschung und Bildung zu investieren als in Landwirtschaft. Allerdings zahlen die technologieorientierten USA ebenfalls Unsummen an ihre (Groß-)Farmer.
In Wahrheit geht es Blair um geostrategische Ziele. Für ihn – wie für praktisch alle britischen Regierungen der letzten Jahrzehnte – ist die Anbindung an die USA die Maxime der Politik. Blair teilt die Vision von George Bush, die Ausbreitung der Demokratie über die Welt müsse notfalls mit Gewalt erfolgen.
Das mag manchmal sogar notwendig sein. Aber wenn es mit Lüge und mit vollkommen ungenügender Vorbereitung geschieht, wie im Irak, dann geht es nicht gut – wonach es derzeit aussieht. Blair will keine politisch integrierte EU, die den USA in solchen Fällen offenen Widerstand leistet. Er will eine EU mit einem Mitgliedsland Türkei, das durch sein Gewicht geostrategische Entscheidungen unterstützt und mit herbeiführt, die die jetzige EU nicht treffen will: etwa bewaffnete Interventionen im Kaukasus oder in Zentralasien.