Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war heute. Da hat der Radler neben mir den Knaben am Viennabike dann gefragt, ob er per Stunde oder per Kilometer bezahlt würde. Und als der Student am Gratisrad sich verständnislos zeigte, hat der Radler neben mir gemeint, das beweise, die Verschwörung. Weil doch sonnenklar sei, dass das komplexe System der derzeit aktuellen Freiradversion nur so funktionieren könne. Denn die Partei und das ihr nahestehende Werbeunternehmen müssten doch einen Erfolg vorweisen.

Ich kannte den Radler neben mir nicht. Und ich glaube nicht alles, was herumerzählt wird, wenn sich jemand etwas zurechtargumentieren möchte. Aber es ist schon spannend, zu beobachten, wie Legenden entstehen – und sich halten: Genau die gleiche Behauptung hat kürzlich ein Kollege aufgestellt, als wir – eigentlich er und einer unserer Rad- und Kommunalschreiber ­in Sachen Viennabike in die Haare gerieten.

Gewista-Rad

Das Gewista-Freirad, hatte der Radschreiber nämlich behauptet, komme langsam in die Gänge. Und zum Beweis hatte er uns zunächst auf die Citybike-Seite verschleppt: Knapp 40 Räder seien gerade im Einsatz, stand da. Die Kilometer purzelten. Und wenn man die Webcams der Radstationen anklicke, sähe man haufenweise freie Radentnahmeterminals. Kurz: Das Stadtrad sei ein Erfolg.

Aber da hatte der kommunale nicht mit dem prinzipiellen Widerspruch des nichtkommunalen Schreibers gerechnet: Zunächst glaube er sowieso nicht, was da auf einer Homepage geschrieben stehe, parierte der das Citybike-Lob. Kilometerstände könnten genauso gut Klicks auf der Seite seiner Großmutter, die Zahl der Fliegen über Naschmarktobstständen oder sonst was sein – und bei 40 Rädern, die angeblich in Betrieb seien, von einem Erfolg zu sprechen, richte sich angesichts der Größe der Stadt wohl von selbst.

Gedungen

Darüberhinaus sage das Freisein von Bike-Terminals nichts aus: Wenn das vom Erfolg des Projektes künde, bräuchte der Gratisradbetreiber doch bloß alle Räder in die Werkstatt zu holen. Außerdem müsse man kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass mindestens die Hälfte der Stellplätze immer frei sein müsse – für den Fall, dass irgendwer ein Rad zurückgeben wolle. Und überhaupt sähe man die Räder im Stadtverkehr so gut wie nicht ­ und die paar, die unterwegs seien, würden von gedungenen Kräften (der Kollege liebt es, sich mitunter etwas antiquiert zu artikulieren) bewegt.

Woher er das wisse, fragte ich noch bevor unser Freirad-Apologet das Wort ergreifen konnte – und bekam die Killerphrase jeder Recherche an den Kopf geworfen: Das, sagte der Skeptiker, wisse man einfach. Das sei allgemein bekannt. Jeder, der zweifle, mache sich lächerlich. Und nur Büttel der SPÖ oder wirklich dumme Menschen stellten das Offenkunidge in Frage. Weil doch sonnenklar sei, dass die Betreiber des neuen Systems gar nicht zugeben könnten, was für ein Debakel jenes Projekt sei, für das man das alte, erste, legendäre Gratisradkonzept über die Klippe geschickt hatte.

Unprofessionalität

Womit natürlich die Diskussion beendet war: Der Kommunalkollege war sauer, dass ihm Dummheit und/oder Bestechlichkeit vorgeworfen wurde. Der nichtkommunale Kollege war sauer, dass der Kommunalmann ihm unreflektierte Unprofessionalität in der Argumentation vorwarf. Und ich hatte noch immer niemanden, der mir auf die Schnelle seinen Freirad-Account geborgt hätte, um von A nach B zu kommen. Weil ich einfach zu wenig Zeit hatte, mir die Anmelde-Gebrauchsanweisung durchzulesen ­ aber in der Zeit, die die beiden zum Streiten gebraucht hatten, hätte sogar ich das vermutlich geschafft. Ich nahm die U-Bahn.