Die EU-Kommission und die derzeitige EU-Präsidentschaft Luxemburg haben noch vor dem Abschluss des Referendums in Frankreich "business as usual" als Parole ausgegeben. Auch was Ratspräsident Jean-Claude Juncker und Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagen würden, war vorab bekannt: Beide treten für eine Fortsetzung des Ratifikationsprozesses ein.

Die Regierungschefs aller 25 Mitgliedstaaten wurden schon vor zehn Tagen für diese Woche nacheinander nach Luxemburg einbestellt. Ratspräsident Jean-Claude Juncker will bei diesen Einzelgesprächen die Einigungsmöglichkeiten etwa beim Thema Finanzvorschau für den EU-Gipfel am 16. und 17. Juni ausloten. Dass bei diesen Gesprächen die Referenden in Frankreich und den Niederlanden eine Rolle spielen, versteht sich von selbst. Den Anfang macht heute, Montag, der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, Wolfgang Schüssel ist für den 1. Juni nach Luxemburg eingeladen.

Nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden müssen noch 13 von 25 EU-Staaten bis November 2006 den Ratifikationsprozess hinter sich bringen. 12 Staaten haben das schon gemacht: In Belgien, Deutschland, Griechenland, Italien, Litauen, der Slowakei, Slowenien, Ungarn und Österreich erfolgte dies durch Parlamentsbeschluss. Spanien, Frankreich und die Niederlande haben den Weg des Referendums gewählt.

Mit einer Zustimmung wird in jenen Ländern gerechnet, in denen die Parlamente entscheiden. In Zypern soll das Votum am 30. Juni erfolgen, in Malta im Juli und in Lettland ebenfalls noch vor der Sommerpause. In Schweden ist für Dezember 2005 eine Abstimmung geplant, in Finnland Anfang 2006, und Estland hat noch kein Datum für den Parlamentsentscheid genannt.

Schock in Brüssel

In einigen Ländern, in denen Referenden angesetzt sind, wird es ebenfalls schwierig, eine mehrheitliche Zustimmung zu bekommen. Die Bevölkerung von Luxemburg kann am 10. Juli abstimmen. In Brüssel löste vergangene Woche eine Umfrage regelrecht einen Schock aus, wonach die als Muster-Europäer bekannten Luxemburger mehrheitlich mit Nein stimmen wollen. In Dänemark, wo die Bevölkerung ohnehin als europaskeptisch gilt, ist das Referendum für den 27. September angesetzt. Die Portugiesen sollen im Oktober 2005 abstimmen, die Polen ebenfalls im heurigen Herbst. Viele Polen ärgert, dass durch die Verfassung das Stimmgewicht ihres Landes abnimmt. Eine weitere Hürde ist, dass in Polen mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten an dem Referendum teilnehmen müssen, damit dieses gültig ist, während in den meisten anderen Ländern eine Beteiligung von 30 Prozent ausreicht.

Noch heuer wollen auch die Iren abstimmen, während das Referendum im bekanntlich sehr EU-kritischen Großbritannien für das Frühjahr 2006 in Aussicht gestellt wurde. Geht dieses Votum negativ aus, dann muss die dann amtierende österreichische EU-Präsidentschaft Krisenmanagement leisten. In Tschechien ist ein Referendum geplant, aber noch nicht fixiert.

Sobald vier Fünftel - also 20 von 25 Staaten - die Ratifizierung abgeschlossen haben, ist ein Sondertreffen der Staats-und Regierungschefs vorgesehen. Dann soll über das weitere Prozedere entschieden werden. Dann könnte ein zweites Referendum in all jenen Staaten vorgeschlagen werden, in denen die Befragung der Bürger im ersten Anlauf keine mehrheitliche Zustimmung zur Verfassung erbracht hat. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.5.2005)