Er ist O homen que virou suco - in dem Film von Joao Batista de Andrade aus dem Jahr 1979: Der ausgequetschte Mensch. In der einmalig umfassenden Schau Brasilien. Cinema Novo und tropische Moderne 1926-2003 des Österreichischen Filmmuseums fungiert O homen que virou suco als ein wichtiges Gelenk. Er steht für den Übergang vom kritischen Autorenkino zum Mainstreamkino.
Das brasilianische Kino war die längste Zeit im doppelten Sinn kolonisiert: Hollywood beherrschte den Markt, und die undemokratischen Regierungen gaben dazu ihren Segen. Als 1963/64 drei zentrale Filme eines Cinema Novo nahezu gleichzeitig auf den Markt kamen, bedeutete dies eine politisch-ästhetische Revolution: Os Fuzis (Die Gewehre) von Ruy Guerra, Vidas Secas (Trockenes Leben) von Nelson Pereira dos Santos und Deus e o diabo na terra do sol (Gott und Teufel im Land der Sonne) von Glauber Rocha erzählten von den Armen im Nordosten, von deren Agonie und von den Hoffnungen auf ein Wunder, das der christliche Gott (und die afrikanischen Götter) wirken würden.
Guerra stellt Soldaten in den Mittelpunkt, die in ein Dorf kommandiert werden, um dort den Abtransport der Zwiebelernte zu bewachen. Sie bewegen sich unter den Blicken der Einheimischen, gehen Liebschaften und Scharmützel ein, streiten über ihre Loyalitäten. Os Fuzis ist eine Allegorie auf die Militärdiktatur, auf ein korruptes System und eine Profitwirtschaft, in der die Waren an den Bedürftigen vorbeitransportiert werden.
Der lokalen Subsistenzökonomie dörren in der Zwischenzeit die Grundlagen weg. Die Intellektuellen stellten eine Unrechtssituation auf nationaler wie internationaler Ebene fest, gegen die sie die Volkskultur mobilisieren wollten. Der "tropische Multikulturalismus" (Robert Stam) mit seinen Ausprägungen in der Musik (Samba, Forró), in der Religion (Xango, Voodoo, Heiligenkult), im Sport (Fußball), in der Literatur (magischer Realismus) und die Zusammenfassung aller dieser Phänomene im Karneval stellt das Kino vor eine Herausforderung der Fülle.
Die Theoretiker des Cinema Novo reagierten darauf mit einer "Ästhetik des Hungers" (Glauber Rocha), einem armen Kino, zerstritten sich aber über der Frage der Popularität. Nelson Pereira dos Santos drehte kommerziell erfolgreiche Filme wie O amuleto de Ogum (Das Amulett von Ogum), während Glauber Rocha immer komplexere Collagen fabrizierte, die in A dragão da maldade contra o Santo Guerreiro (Antonio das Mortes) ihren Höhepunkt erreichten:
Der Söldner Antonio schlägt sich hier auf die Seite der Guerillas (Cangaçeiros), eine politische Wende bleibt jedoch aus. Rocha entwickelt diesen Para-Western aus einer Parade heraus, führt also eine symbolische Form in eine andere über und gibt seinem Kino damit ein repräsentationskritisches Motiv.