Darüber, dass es unerträglich ist, dass Menschen, um andere Menschen zu erniedrigen, sich an dem vergreifen, was diesen wert und heilig ist - dem Koran -, braucht man kein Wort zu verlieren. Noch schlimmer ist es, wenn das Verhältnis zwischen diesen beiden Menschengruppen so asymmetrisch ist wie im Fall von Gefängniswärtern und Häftlingen, an einem so Menschen verachtenden Platz wie Guantánamo.

Das heißt nicht, dass man sich als überzeugter Säkularer angesichts der teilweise massenhysterischen Zustände in der islamischen Welt mit ihren täglichen Korandemonstrationen nicht ungut fühlen dürfte. Es gibt ein Recht auf die Unantastbarkeit des Sakralen: Allerdings ist es für die Mehrheit derer, die es hier im Westen verteidigen, ein Menschenrecht - und kein Gottesrecht. Für den Geschmack der hier schreibenden bekennenden Ketzerin geht die Terminologie der "Schändung" bei der Beschreibung der Tatsachen schon wieder (?) viel zu leicht über die Lippen. Es gemahnt an die alten Zeiten der "Hostienschändungen" - übrigens der Beleidigung des Glaubensinhalts, den der despektierliche Umgang mit dem Koran darstellt, viel eher entsprechend als ein gegen die Bibel gerichteter Akt. Die Hostie wurde ja als Personifizierung des Gottessohnes attackiert, und dessen Stellenwert als Zentrum des Glaubens hat der Koran im Islam. Das kann man feststellen, ohne an das eine oder das andere zu glauben, also auch nicht daran, dass man das eine oder das andere "schänden" kann.

Sonst noch "geschändet" werden Fahnen, ein beliebter Zeitvertreib bei Demonstrationen in der islamischen Welt: Ist uns postnationalistischen Europäern relativ egal. Gar nicht kalt hingegen lässt das Verbrennen von Menschen in effigie, also in der Gestalt von Puppen: Das ist eine Drohung gegen die Unversehrtheit des Menschen. Und Menschen gilt es zu schützen - auch Muslime, die gequält werden, wodurch auch immer. (DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.5.2005)