Drei Herren aus Niger radeln albernd auf einer holländischen Deichkrone, dann diskutieren sie mit der Gastgeberin Fragen der Ehemoral. Doch das Kennenlernen von Land und Leute dient vor allem dem praktischen Studium alter Windmühlen – um am Ende mit einem einfach kopierbaren Bausatz autark Dürre- und Bewässerungs- Probleme lösen zu können.

Madame L'Eau, benannt nach einem mythischen Kosenamen für den Fluss Niger, war Teil der espritreichen Hommage an Jean Rouch; eine Reihe von Werken des Altmeisters des ethnographischen Films lief von 18. bis 22. Juni beim Internationalen FilmFestival Innsbruck.

Von hcl

Fotos: FilmFestival Innsbruck

Lateinamerika, Afrika und Asien sind die traditionellen thematischen Schwerpunkte des Festivals; die 12. Auflage lief in einer bewegten, komplexeren Welt: Die jüngsten Kriegshandlungen unterstreichen nur ein Nebeneinander von neuer Kolonisierung, Globalisierung und insularen Grenzziehungen. Information und Kulturaustausch strömen breit wie nie zuvor, Einbahnstraßen und absichtliche oder erzwungene Abschottungen sind die Kehrseite. Innsbruck ist da nicht unpassender Schauplatz, mit seinem Kontrast aus Naturkulisse und Stadtverkehr, aus alter Bausubstanz und High-Tech- Skisprungschanze.

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Beispiel das bekanntlich modische Indien: Wie Tirols Bergwelt als Kulisse für indische Musicals boomt, darüber freute sich die Cine Tirol Film Commission (etwas zu flapsig) und präsentierte eine Szenenauswahl (Best of Bollywood Made in Tirol), bei der in offenherzigen B-Liga-Filmen einiges an melancholischem Charme zutage trat. Zwei Vorzeigestücke jener Kinoindustrie liefen am Festival, das Historiendrama Lagaan (Bild) und die Superstar-Tanz- Extravaganza Sometimes Happy, Sometimes Sad. Und beide erzählen auch vom aggressiven Kultur-Nationalismus der Hindu-Oberschicht.

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Dass der Subkontinent nicht homogen harmonisch ist, sondern vielmehr von ethnischen und sozialen Bruchlinen durchzogen, bleibt Autorenfilmern zu schildern vorbehalten: Shaji N. Karun erinnert in Nishad an den Vorabend jenes indisch- pakistanischen Konflikts von 1971, der unter anderem die prächtigen Bergkulissen des Kaschmirtales nur unter Gefahren erreichbar werden ließ. Allgegenwart von Spannung und Gewalt findet sich häufig in Werken des Landessüdens und Sri Lankas: Von der schwierigen Ehe mit einem Soldaten schildert Inoka Sathyagani in The Wind Bird (l.u.), von jener mit einem Taschendieb Linton Semage in Pickpocket (r.u.).

Fotos: FilmFestival Innsbruck

Eine nachhaltige Beschäftigung mit dem Filmschaffen fremder Länder ist Anliegen des Festivals und seines vergebenen "Filmpreises des Landes Tirol" - der dieses Jahr bei Publikum wie Jury einen klaren Sieger fand: Mit wenigen Worten und deutlicher, auch gestischer Metaphorik erzählt der Tunesier Nouri Bouzid in Araïs Al-Teïn / Dolls of Clay (2002) von einem zwangsverpflichteten kindlichen Hausmädchen und ihren inneren Fluchtwelten. Einen gewissen Angriffspunkt hat dieses Votum; der liegt nicht zuletzt im durch Medien gefilterten Blick des Nordens auf die an sich vielfärbige Kultur des Maghreb.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Zeiten einer Bildübersättigung wecken Bedarf nach einer Ästhetik der Reduktion, wie sie etwa Merzak Alluche mit der franko-algerischen Produktion L'autre monde (Platz 2 der Publikumsgunst), einem Road Movie in eine nach und nach immer fundamentalistischer geprägte Provinz, eben auch bedient. Konkret Thema ist dieser Zwiespalt in Guerre sans images (kl.B.): Dokumentiert wird die Arbeit des in Algerien lebenden Schweizer Fotografen Michael von Graffenried, der grobkörnige Kunst schaffen will und doch an Nachrichtenmedien verkauft. Regisseur Mohammed Soudani lässt kritische Stimmen zu, die Europa vorwerfen, bloß an extremen Bildern interessiert zu sein, und nicht an solchen aus einer tapfer defensiven Mittelschicht.

Fotos: FilmFestival Innsbruck

Ethnisches Filmschaffen heute ist häufig verschwistert mit der erfolgreichen Musiksparte der "World Music"; Paris als Zentrum fördert - und vermarktet. Die Soundtrack-CD ist auch in Marktnischen oft Teil eines Pakets.

Gut sichtbar ist dieses Zusammenspiel in Flora Gomes' portugiesisch- französischer Koproduktion Nha Fala über eine aus Guinea Bissau stammende Studentin, ihre Pariser Gesangsambitionen, ihre Heimkehr und ihr Bewältigen eines vorgeblichen Familienfluchs - etwas inhomogen strukturiert mit Lokalfolklore einbindenen Musical-Elementen.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Aktive Hilfe mitzuerleben war möglich in Innsbruck, wo das Kino Zentralasiens erneut starke Momente hatte - alle voran der Tadschike Djamed Usmonov, der für Angel on the Right (o.) mit Lakonie den Mikrokosmos eines Dorfes und eines zu Beginn unfreiwillig mürrisch Heimkehrenden ausbreitet. Dem usbekischen Regisseur Yusup Razykov, dessen dörfliches Hochzeitsdrama Dilhiroj / Men's Dance (u.l) zu sehen war, wurde nämlich mittels einer Kollekte unter Festivalgästen (u.r.) bei der Anschaffung einer Digitalkamera geholfen. Zu hoffen bleibt nun, dass das Medium mit seiner potenziellen Verführung zu Schlampigkeit nicht auf die Bildkraft abfärbt.

Fotos: FilmFestival Innsbruck - HCLeitich

Ein beeindruckendes Vertrauen in die Kraft ruhiger Bilder und Darstellerleistungen prägt auch Caja Negra, den im Wettbewerb gelaufenen Debütfilm des gerade 23-jährigen Luis Ortega, eine weitere Kraft der weltweit herumgereichten jungen Welle des argentinischen Kinos:

Eine junge Büglerin hat sich um ihre bettlägerige Großmutter zu kümmern, wie um ihren kaum lebenstüchtigen Vater, der in erschreckender körperlicher Hinfälligkeit aus dem Gefängnis entlassen wurde. Zukunftshoffnungen erwachsen, dezent anrührend geschildert, aus Durchhaltewillen und einer Politik der kleinen Schritte.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Frische entspringt bisweilen aus Genre-Variation: Im Duktus der Polit-Italo-Western von ca. 1970 läßt der als Autor Luis Sepúlveda ein Sample an politischen Gefangenen im Chile des Jahres 1980 mit einer Soldatenkompanie in einer entlegenen Berggarnison zurück, die sinnfällig Ninguna Parte / Nowhere heißt. Die entstehenden Konflikte und Fraternisierungen bleiben im Rahmen des Erwarteten, einige Zynismen überraschen: Ein Einzelleben gilt dann doch wenig, ein Trupp einer Befreiungs- Bewegung (mit einem Harvey Keitel als "El Gringo") ist dank Selbstsuche wenig effizient, bei Angehörigen der Gefangenen obsiegt Hedonismus.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Aber auch ein gewisses Scheitern zu beobachten kann von Interesse sein. Was für Europa Lappland oder Island ist und für US-Bürger Alaska, ist des Argentiniers Patagonien: eiskaltes Wetter für Pioniernaturen und gequälte Seelen auf Regeneration. Ein Fluglotsenstreik lässt nun in Daniel Burmans Todas las azafatas van al cielo / Every Stewardess Goes To Heaven (2001) einen bärig traurigen Augenarzt wie eine puppengesichtig verzweifelte Flugbegleiterin in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Erde, stranden. Leider wird dem zu absehbaren Happy End viel untergeordnet.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Die aufwändig produzierte und mit spanischem Pop-Schmäh angereicherten melancholischen Komödie verschenkt Potenzial, das etwa ein philosophischer jüdischer Taxler geboten hätte, ein doppelbödiger Gewerkschafter oder eine maulheldenhafte und dank Nachtklub bald betrunkene Pilotenschaft, die sich im letzten Refugium der Wahren Männer wähnt. Und es bleibt das Resümee, dass der Hauptrolle viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde - dem Ort. Landschafts- und Stimmungsvermittlung kommt zu kurz, das Resultat wurde dann doch kein Kaurismäki des Südens.

Fotos: FilmFestival Innsbruck

Wie ein gelungen globalisiertes Produkt aussehen kann, zeigt der Brasilianer Jorge Furtado mit Houve uma vez dois veroes / Two Summers: Der per Diashow-Titel angepriesene schnoddrige "Surfer-Rock", der US-Vorbilder so verkrampft aussehen lässt wie die zugehörigen Springbreak-Exzesse, untermalt einen Evergreen um zwei Teenage-Freunde, Ferien und das Erste Mal adäquat: Während das Bürgersöhnchen tanzschulartige Gespreiztheit an den Tag legt, vernarrt sich der lässige Lockenkopf in eine Trickbetrügerin, die auf Fälle wie ihn spezialisiert ist. Und das alles rund um den "schlimmsten Strand der Welt" in Porto Alegre.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Der Ton macht die Musik: Dieses Duell mit dem MTV-Spirit hat Kenntnis französischer Genre- Klassiker wie seines Milieus, zeigt Interrail-haftes Herumzigeunern mit dem Aspekt von oft bloß beiläufig temporären Bekanntschaften, gesteht Nebenrollen eine rare Autonomie zu und vergisst nicht auf den stets präsenten monetären Aspekt beim Jungsein.

Kurzum: ein schönes Beispiel für ein Kino, das sich enge Grenzen setzt und diese übererfüllt. Auch dafür, dass kostengünstiges Videomaterial seine Berechtigung hat und 75 Minuten eine optimale Filmlänge sein können.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Lateinamerika erweist sich aber allzu häufig auch als Hort einer seit den Siebziger Jahren dümpelnden Nostalgie für die Epoche der Zwischenkriegszeit:

Der Brasilianer Renato Falcao (Jahrgang 1963 - !) erzählt in A Festa de Margarette mittels Stummfilm und Pantomime von einem Träumer, der mit kinderreicher Familie in einem Zirkuswagen lebt. Der Smoking sitzt schlecht, die Frisur ist wirr, die Augen stets weit offen. Bei manchen weckt dies Sypathie, bei manchen Fluchtreflexe. Verwandte Frage: Hat Fellinis Spätwerk Ewigkeitswert oder war es eine Zeiterscheinung?

Foto: FilmFestival Innsbruck

Wie kreativ Retro-Chic eingesetzt werden kann, hatten in der letzten Dekade die fernöstlichen Filmländer beweisen, wenn sie mit ihrer Ansiedlung in die Jahre rund um 1960 zugleich deren Zeitthemen - Internationalismus, Entkolonisierung, bürgerlicher Liberalismus und Glaube an die Moderne - mittransportierten.

Das Thema des Wiederbesinnens kann auch abstrakter ablaufen, wenn in Flower Island (2001) der Südkoreanerin Song Ilgon drei traumatisierte Frauen auf erratischer Pilgerschaft zu einer Heil versprechenden Blumeninsel durch den Schnee stapfen.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Ein kleines Juwel fand sich mit Yosuke Nakagawas Departure (Japan 2001) über drei Freunde nach ihrem Schulabschluss auf der Insel Okinawa, vor ihrer Abreise zu höherer Ausbildung anderswo. Ein Film der Zwischentöne: Die Drei werden als gewaltfrei nachdenklich präsentiert, nicht aber thesenartig als Schweiger, bestehende oder prospektive Romanzen als wenig kalkuliert. Die Stimmung lauer Nachtstunden erhält den altersgemäß ihr zustehenden Raum, die die Insel plagende US-Militärbasis eine diskrete Präsenz, Karaoke, Trinken, Billard und Hawaii-Urlaubspläne angemessene Relativierung.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Insgesamt ist Departure ein Vorzeigestück, dass das Themenfeld "Abschied von der kleinen Welt" nicht nur über ausgetretene Pfade beschritten werden muss - wie auch im Fall des Studenten in spe, dessen Trennung von einer Streifenpolizistin bei aller Wehmut amikal abgehandelt wird.

Und ist auch ein schönes Beispiel für ein spezifisch japanisches Kino, das Einstellungen von großer Schönheit aus der Szenenlogik selbst entwickelt - anstatt diese, wie häufig ein Ärgernis, als suggestiven Bildteppich wie Musik über eine Handlung zu legen, deren Schwächen so kaschiert werden.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Ein erfrischende Neuzugang im Weltkino der letzten Jahre ist die Bereitschaft Chinas, von jenem oft absurden Alltagschaos zu erzählen, den der gesellschaftliche Umbruch in einer Milliarden-Nation mit sich bringt - fast schon eine eigene Themennische. Mit einem Schreck erwacht ein Kleinstadtpolizist in Lu Chuans The Missing Gun nach einer durchzechten Nacht; die Dienstpistole wird vermisst. Die hektische Suche gestaltet sich dank Verkaterung delirierend schwitzig und von allerhand Verschwörungstheorien geleitet. Abgeklärter schildert hingegen Zhang Yuan in Wo Ai Ni / I Love You vom stillen Zerbröseln einer modernen Ehe.

Fotos: FilmFestival Innsbruck

Zum von der Weltöffentlichkeit geflissentlich Unterspielten zählt das von der AIDS-Durchseuchung im südlichen Afrika angerichtete Chaos - eine Tragödie, die sich als Subthema selbst durch einen lebensbejahend angelegten Jugendfilm wie Yellow Card (Regie: John Riber, Simbabwe 2002) zieht: Wie ein junger Modellathlet von einer Fussballerkarriere träumt, sich sozial hinauf verliebt, zugleich aber mit einer en passant verursachten Vaterschaft auseinandersetzen muss, das passiert vor einem Hintergrund aus Aufrufen zu Kondomgebrauch und der Stimmung eines "Rette sich wer kann".

Foto: FilmFestival Innsbruck

Sein kritisches Auge auf die Dauerkrisen und Misstände Afrikas und sein Anliegen, mit Dokumentarfilmen Aufklärungsarbeit zu leisten, erläuterte der aus Kamerun stammende Jean-Marie Teno, vom Festival mit einer ausschnittweisen Werkschau gewürdigter Gast.

Bei einem Workshop im französischen Kulturinstitut sprach er zur stets kritischen Lage unabhängigen Produzierens sowie zu Möglichkeiten durch neue Technologien wie etwa des Internet - mit gewisser Skepsis: Quantität allein könne nicht Präzision im Blickwinkel und in der Analyse ersetzen.

Fotos: HC Leitich

Im Programm lief dazu Tenos pointierte Aufarbeitung der wechselvollen Geschichte Kameruns, Afrique, je te plumerai, die sich mit einer Vielzahl an rhetorischen Mitteln und Bildquellen gegen eine Verharmlosung der Kolonialzeit wie den Machtmissbruch gegenwärtiger Cliquen wendet. Betonte Zurückhaltung ist hingegen das Mittel der Wahl bei seinem jüngsten Werk Le mariage d'Alex (Bild), in dem die vielorts weiter gepflogene Polygamie allein durch die Schilderung der Organisation einer Hochzeitsfeier jeden Anspruch auf einen Status als hinnehmbare Tradition einbüßt.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Ein weiterer Festivals-Ehrengast entstammt einer deutlich älteren Generation: Jean Rouch, geboren 1917, war als Absolvent der Pariser Schule für Straßen- und Brückenbau (seit dem 18. Jahrhundert eine Kaderschmiede eines Ingenieurs-Rationalismus) in den 1940er nach Afrika gekommen: "Meine Brücken gibt es noch. Meine Straßen auch. Leider führen sie immer öfter ins Nichts. Egal. Es ist wichtiger abzureisen als anzukommen." Filmisches Dokumentieren war gehobenes Hobby, bis ihn Werke wie der vielerorts verbotene Skandalerfolg Les maitres fous (Ghana 1955) zum Pionier des ethnographischen Filmens werden ließen.

Fotos: H C Leitich - FilmFestival Innsbruck

Zu zeigen, wie berauscht- extatische Trance-Tänze der "Hauka"-Bewegung sich Bildmotive der Kolonialherren (Uniformen z.B.) aneignete, galt damals als skandalös. Und war Teil einer langjährigen Kollaboration zwischen einem Neugierigen und lokalen Stammesfürsten, die Aufmerksamkeit dankten. Resultat waren über 100 Filme, viele Dokumentationen, die vom Vor-Ort-Sein lebten, unorthodoxe Blicke auf Europa (Chronique d'un été, 1961), aber auch etwa mit Boulevards d'Afrique (1988, gemeinsam mit dem senegalesischen Autor Tam-Sir Doueb) die Umsetzung einer lokalen musikalischen Komödie zum Thema Zwangsverehelichung.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Rouch selbst tritt auf als eloquenter Verfechter eines Salon-Rebellentums in der Nachfolge von Dada und Surrealismus. Er spricht vom "Traum" als notwendige Antithese zur Ratio, von Austauschbarkeit von "Verrückten" und "Normalen", von der Notwendigkeit des mit diplomatischem Feingefühl inszenierten Skandals, von der Freude am Unruhe Stiften. Den Pariser Intellektuellen der Nouvelle Vague wie des Mai '68 verhalf er mit der Wortschöpfung "Cinéma verité" zu einem Schlachtruf, Vereinnahmung entzog er sich mit Kalkül. Im Gespräch folgt oft auf eine hochpräzise Erläuterung ein Lachen: "Sie haben's alle versucht, und sie haben mich doch nie gekriegt!"

Fotos: HC Leitich

Kameraeinstellungen und Montage mögen oft handgeschnitzt wirken, vor Unterschätzung sei gewarnt: Jaguar (Niger/Ghana 1954-67, Bild) strukturiert eine Coming-of- Age-Wanderschaft von Lam, Illo und Damouré über den Simultan- Plauderton der Tonspur, mit dem die Drei ihr Vorhaben, in Accra gesellschaftliche Rolle und Geld zu finden, kommentieren. Die kurzerhand gegründete Firma Petit à petit baut sich in der 1968/69 gedrehten Fortsetzung, von Paris inspiriert, ein Hochhaus: "Eine Geschichte von Größenwahn", lacht Rouch, befragt zu realen Hintergründen der satirischen Moderne-und-Afrika-Parabel. 1992 schließt sich dann eine Trilogie mit dem eingangs erwähnten Pragmatismus von Madame L'Eau.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Hintergrund ist eine beim Wettschwimmen im Fluss Niger entstandene, in den Gegensätzen noch ganz die Kolonialära wiederspiegelnde lebenslange Freundschaft - hier Rationalismus mit Spieltrieb, dort Fabulierfreude auf Basis einer der Naturreligiosität entlehnten, an Bildmetaphern reichen Sprache.
Und auch die Umkehrung wird freimütig in Szene gesetzt, wenn sich Rouch im Gespräch ganz als "bavadeur vagabonde" (etwa: als Dampfplauderer) präsentiert und es seiner aus Afrika stammenden Gattin zufällt, mit Entschlossenheit Zahlen, Fakten und Umstände klarzulegen.

Fotos: FilmFestival Innsbruck - HC Leitich

Eine Ironie, die auch die Handlung des recht dadaistisch betitelten Cocorico! Monsieur Poulet (1974) durchzieht. Die folgt drei Möchtegern- Kleinunternehmern auf ihrer Fahrt durch die Steppe Nigers, bei der Suche nach Hühnern, die in der Stadt verkauft werden sollen. Eine mysteriöse Jägerin kreuzt mehrfach den Weg, worauf einer der drei jeweils in animistische Wahnideen verfällt. Der Hauptpart in dieser durch viel Palaver geprägten (Selbst-) Erkundungsreise gehört jedenfalls zweifelsfrei dem absurd desolaten Citroen 2CV Kastenwagen, mit dem sie sich dahinschleppen - ein würdiger Nachfahr von Don Quichottes Pferd Rosinante.

Foto: FilmFestival Innsbruck

Klassisches Bildungsgut holt Rouch in seinem jüngsten Werk ein: Der gemeinsam mit Bernard Surugue (li.) entstandene Le rêve plus fort que la mort (2002) zeigt in drei Traumsequenzen auch ein antikes Theater, in dem in einer multikulturellen Aischylos- Aufführung zwischen Altgriechisch und afrikanischem Peul gewechselt wird. Vorgriff auf eine für 2004 geplante gemeinsame Doku über einen afrikanischen Dissertanten, der seinen Wunsch durchgesetzt hat, eine These über den Vergleich altgriechischer und afrikanischer Sklavengesellschaften an der Sorbonne in altgriechisch vorzutragen. (~hcl~)

Mehr zum Innsbrucker FilmFestival unter www.iffi.at

Fotos: FilmFestival Innsbruck - HC Leitich