Es war am Tag vor dem Feiertag. Knapp vor Ladenschluss. Aber auch wenn die Frau am Serviceschalter schon müde war – die Art, in der sie knapp vor 19 Uhr im Elektrogroßmarkt zeigte, wie man gleichzeitig wie ein Kutscher fluchen kann und dabei vor Freundlichkeit beinahe platz, hatte uns einfach Respekt abgenötigt.
Es war einer dieser schrecklichen Shoppingtrips gewesen. Weil an den Tagen vor Feiertagen alle Welt mit der Entschlossenheit loszieht, einzukaufen, als wäre das Geldausgeben ab morgen verboten. An solchen Tagen stehen Aggressivität und Stress in einem potenziert-proportionalen Verhältnis zum Verstreichen der Einkaufszeit. Und Faktoren wie Wetterumschwung und/oder Vollmond machen alles noch schlimmer.
Kriegszustand
Am Tag vor dem Feiertag war all das ziemlich präzise aufeinander getroffen: Es herrschte Krieg im Großkaufhaus. Wie immer litt das Verkaufspersonal am meisten. Kollateralschäden. Und auch wenn ich prinzipiell dafür Verständnis habe, dass ein halbqualifizierter Elektrogrossmarktberater an so einem Tag den Blick gern auf den Boden richtet und mit eiligem Schritt so tut, als müsse er ganz dringend in ein anderes Departement ausweichen, kann sich das – vor allem wenn sich das Personal mehrfach und sternförmig so von mir weg bewegt, als hätte ich a) eine ansteckende Krankheit und/oder b) einen besonders üblen Körpergeruch – im persönlichen Einzelfall auf meine Stimmung auswirken. Und zwar eher negativ.
Aber A. hatte eine Idee: Hinter dem Schalter mit der Aufschrift „Kundenservice“ saß eine Frau, die eindeutig nicht weg konnte. Also in der Falle. An die würden wir uns jetzt wenden. Damit sie uns einen Verkäufer herbeitelefoniere.
Weite Kreise
Die junge Frau war stinksauer. Und als wir vor ihr standen, fluchte sie. Laut. Unflätig. Auf hochdeutsch. Darüber, dass das Arbeiten in diesem Unternehmen wirklich unerträglich sei. Zu uns war sie aber – nur einen Augenblick später - extrem höflich, freundlich und hilfsbereit: Ja, das Problem mit den in konzentrischen Kreisen das Weite um Kunden suchenden Verkäufern kenne sie. Sähe sie hier ständig. Sie werde sich sofort bemühen uns zu helfen, flötete sie mit einem bedauernden Lächeln – griff zum Telephon und versuchte (laut schimpfend) einen Verkäufer zu organisieren. Vergeblich.
Ihre Stirn umwölkte sich. Sie knallte den Hörer auf die Gabel – und begann wieder zu fluchen: Dass das nicht nur ihr, sondern vor allem den Kunden gegenüber eine Zumutung sei. Dass das hier nicht erst seit heute, sondern seit Monaten so sei. Dass sie es satt habe, den Leuten nicht helfen zu können. Und dass es keine Ausrede sei, dass der Tag lang, heiß und anstrengend gewesen sei. Wir dachten: Und auf die Masche sollen wir reinfallen?
Heiliger Eid
Doch dann sprang sie auf und rannte aus ihrem Servicekobel: Wir sollten warten, sie würde mit einem Verkäufer zurückkommen. Wenn es das letzte sei, was sie heute tue. Und wenn sie den Kollegen an den Ohren zu uns schleifen würde. Dass es ihr leid tue – aber manchmal habe sei als Kundendienstmitarbeiterin das Gefühl, sie müsse entweder sich oder jemand anderem eine Kugel in den Kopf jagen.
Wir waren irritiert. A. rief der jungen Frau nach, dass das mit dem Schusswaffengebrauch vielleicht leicht überzogen wäre. Die Serviceschalterfrau drehte sich um: Wenn wir wüssten, wie es der Laden wirklich liefe, würden wir verstehen, was sie meine, sagte sie. Si verschwand zwischen den Regalen. Und tauchte wenige Sekunden später mit einem verdutzt wirkenden Verkäufer an der Hand wieder auf.
Bedienbefehl
Er habe, eröffnete sie ihm, uns jetzt zu bedienen. Und zu beraten. Erstens dalli und zweitens kompetent. Und drittens ohne, dass es nachher irgendeinen Grund zur Klage geben dürfe. Das – sie zeigte mit dem Finger auf uns – seien nämlich Kunden. Für die seien er und all die anderen Davonläufer da. Und wenn man unsereinen konsequent vergraule, dann wäre irgendwann der Ofen aus. Und das, erklärte die Serviceschalterfrau dem Verkäufer, könne langfristig auch nicht in seinem Interesse sei.