Wien - Ein kürzlich gefälltes Urteil zu Gunsten der CMS Gas Transmission, einer US-amerikanischen Firma auf dem Gassektor, dürfte weitreichende Folgen für die internationale Investitionslandschaft haben. CMS hatte den argentinischen Staat geklagt, weil sich das Unternehmen durch die von Argentinien verhängten Notmaßnahmen zur Bewältigung der herrschenden Finanzkrise in seinen Rechten verletzt fühlte.

Mit CMS hat jetzt erstmals ein privater Investor ein entsprechendes Urteil gegen Argentinien erreicht. Die Klagssumme beziffern die zuständigen Experten bei der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die CMS im Argentinien-Prozess vertreten hat, mit 133,2 Mio. Dollar (106,0 Mio. Euro). Nach diesem Präzedenzfall seien weitere Entscheidungen in dieser Richtung zu erwarten.

Weitere Klagen

"Das ist eine wegweisende Entscheidung nicht nur für Investitionen in Lateinamerika, sondern auch in Osteuropa und den Rest der Welt", sagte Jenny Power, die sich bei Freshfields auf bilaterale Investitionsschutzabkommen spezialisiert hat, in Wien zur APA. Allein gegen die argentinische Regierung liegen über 30 ähnliche Klagen vor, deren gesamte Klagssumme laut Experten mehr als 18 Mrd. Dollar (14,3 Mrd. Euro) beträgt.

Über mit dem Investitionsstaat abgeschlossene Verträge hinaus können sich Auslandsinvestoren auch auf so genannte bilaterale Investitionsschutzabkommen (Bilateral Investment Treaty/BIT) berufen, sofern ihr Herkunftsland ein solches mit dem Zielland geschlossen hat. Diese Abkommen garantieren Investoren das Recht auf Ersatz von Schäden und Verlusten, die durch die Verletzung der Investitionsschutzpflichten des Gaststaates eingetreten sind. Dieses Recht kann in der Regel in einem internationalen Schiedsverfahren durchgesetzt werden. Solche Verfahren - oder nur ihre Androhung - stellen "oft das beste Mittel dar, um auf die Gaststaaten Druck auszuüben, Schadenersatz zu leisten oder Verhandlungen wieder aufzunehmen", so Freshfields.

Weltweit gibt es rund 2.000 solcher BIT-Abkommen. Mehr als 65 hat auch Österreich abgeschlossen, darunter mit den wichtigsten osteuropäischen und asiatischen Ländern wie China, Russland, Türkei, Argentinien, Ägypten, Kroatien, Polen, Rumänien oder Ungarn. Allerdings machten österreichische Unternehmen vergleichsweise selten von der Möglichkeit einer Klage gegen ein Investitions-Zielland Gebrauch, stellt Freshfields fest. Bei massiven Verstößen gegen BIT, etwa wenn getätigte Investitionen durch das Gastland massiv gefährdet werden, sollten die Anleger auch Klagen in Erwägung ziehen, regt Power an.

Genau das geschehe aber vergleichsweise selten in Österreich, wo oft versucht werde, Streitpunkte informell zu lösen. "Österreichische Investoren sollten sich trauen, gegen Staaten vorzugehen, die für den Misserfolg ihrer Auslandsinvestitionen verantwortlich gemacht werden können", sagte Freshfields-Rechtsexperte Boris Kasolowsky im APA-Gespräch.

Weltweit führt derzeit Argentinien die schwarze Liste für Verstöße gegen internationale Investitionsabkommen an. In Europa beschwerten sich Investoren häufig über Investitionsschutzverstöße durch die Tschechische Republik, auch aus Rumänien seien Fälle bekannt. Gegen Tschechien hat erst kürzlich ein holländischer Investor auf dem Mediensektor ein Schiedsurteil über 269 Mio. Dollar erwirkt. Erstaunlich wenige Klagen gibt es gegen China, was damit zusammenhängt, dass Verstöße gegen Investitionsschutzabkommen vor chinesischen Gerichten verhandelt werden müssen. In der Regel sollten neutrale Schiedsgerichte in Drittländern derartige Streitfälle verhandeln.

Weltweit betreuen rund ein halbes Dutzend Kanzleien derartige Verfahren, Freshfields Bruckhaus Deringer ist als einzige davon in Österreich vertreten. (APA)