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Foto: APA/dpa/Peer Grimm
Natürlich, auch Angela Merkel kann jubeln - wenn es denn sein muss. Das hat sie auf Parteitagen bewiesen, auch bei Wahlsiegen. Doch eigentlich ist lautes Siegesgeheul ihre Sache nicht. Die 50-Jährige freut sich im Stillen. Wie genau sie nun ihren Triumph feiert, kann man daher nur erahnen. Möglicherweise trinkt sie mit ihrem Mann einen guten Rotwein. Vielleicht aber hält sie sich auch noch bis zum nächsten Montag zurück und stößt erst nach ihrer offiziellen Kür zur CDU/CSU-Kanzlerkandidatin darauf an, dass sie jetzt die nächste Stufe ihrer Karriereleiter erklommen hat. Merkel hat so lange auf diesen Moment gewartet. Auf die paar Tage kommt es jetzt auch nicht mehr an.

Helmut Kohls "Mädchen" hat man sie genannt, damals, als der "Kanzler der Einheit" sie als Frauen- und Jugendministerin in sein Kabinett berief. Jung, ostdeutsch, Frau - das passte Kohl im Jänner 1991, kurz nach der Wiedervereinigung, gut ins Konzept. Bevor 1998 Rot-Grün an die Macht kam, war sie noch Umweltministerin.

Erst ein paar Jahre ist das her, doch unendlich lange scheint diese Zeit zurückzuliegen. Mittlerweile ist Merkel am vorläufigen Höhepunkt ihrer zweiten Karriere angekommen. Diese begann 1999, als die CDU vom Spendenskan- dal ihres Altkanzlers heimgesucht wurde. Merkel getraute sich das bis dahin scheinbar Unmögliche: Sie setzte sich von ihrem Mentor ab, und das war ihrem beruflichen Fortkommen sehr förderlich. Als Generalsekretärin führte sie ihre verschreckte Partei behutsam, aber unerbittlich in ein neues Zeitalter - in die Ära nach Kohl.

Vor fünf Jahren wurde sie in Essen zur neuen Parteichefin gewählt. Die Basis jubelte ihr zu, und die männlichen CDU-Granden mussten auch in die Kameras lächeln. Doch nicht wenige von ihnen betrachteten Merkels Wahl als eine Art Betriebsunfall, den es durch die alsbaldige Kür eines Mannes auszumerzen gelte.

Doch sie haben sich getäuscht. Merkel ist immer noch da. Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble, Friedrich Merz - an ihnen allen ist sie vorbeigezogen. Nur an Edmund Stoiber hat sie sich fast die Zähne ausgebissen, als dieser 2002 partout Kanzlerkandidat werden wollte. Merkel litt schweigend und wartete. Jetzt aber ist sie dran.

Kalt, berechnend und machtgierig zu sein wird ihr oft vorgeworfen - die kinderlose Physikerin nennt es Konsequenz. Aber es stimmt schon: Merkel hat hinter sich keine Hausmacht, auch keinen starken Landesverband, sie hat immer alleine gekämpft. Und ihr Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Die Chancen, dass sie in wenigen Monaten Deutschlands erste Kanzlerin wird, stehen alles andere als schlecht. Doch nach der eigenen Partei muss sie jetzt erst noch die WählerInnen überzeugen. (DER STANDARD, Print, 24.5.2005)