Berlin/Wien - Die deutschen Liberalen haben den Wahlkampf am Montag mit einer harten Ansage an den erhofften Koalitionspartner eröffnet. Die Programmatik sei bei der FDP in allen wichtigen Feldern klarer als bei CDU und CSU, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt am Montag in Berlin. "Die Union hat nicht die breite Arbeitsmarktreform beschlossen wie wir, die Union hat sich unendlich schwer getan, eine Gesundheitsreform überhaupt nur in Anfängen zu beschließen, und die Union hat auch die Merz'sche Steuerreform am Ende nicht beschlossen", bemängelte Gerhardt.

Hinter der Ansage versteckt sich eine gewisse Nervosität. Zwar gibt die jüngste ARD-Umfrage der FDP acht Prozent, aber die Verluste in Nordrhein-Westfalen, wo die Liberalen von 9,9 auf 6,2 Prozent zurückgefallen sind, sind ein schlechtes Omen für die Bundestagswahlen. Die am jüngsten Parteitag demonstrierte Geschlossenheit ist ebenfalls brüchig: Die Kompetenz und Zugkraft von Parteichef Guido Westerwelle wird von vielen Parteifreunden angezweifelt, die eher auf Gerhardt setzen.

Zwei Schreckensszenarien machen die Runde: Die Union könnte die absolute Mehrheit erreichen und würde dann die FDP nicht mehr brauchen; oder die liberale Kleinpartei wird gar im Duell zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel, die beide um die Stimmen der Mitte buhlen, zerrieben. (Reuters, ef/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.5.2005)