Berlin - Kurz vor den Anschlägen am 11. September 2001 in den USA hat die Extremisten-Organisation Al-Kaida Gerichtsdokumenten zufolge einen Kurier nach Afghanistan geschickt, der dorthin das Datum für die Attentate übermittelte. Der Kurier habe lediglich die Botschaft "Elf Neun" überbracht, ohne von ihrer Bedeutung oder ihren Zusammenhängen zu wissen, sagte das mutmaßliche Al-Kaida-Führungsmitglied Ramzi Binalshibh in Vernehmungen durch US-Behörden.

Prozess gegen el Motassadeq

Die Unterlagen des US-Verteidigungsministeriums sollen am Dienstag im Hamburger Prozess gegen den mutmaßlichen Helfer der Attentäter Mounir el Motassadeq vorgelegt werden. Der Marokkaner war 2003 als weltweit erster Angeklagter wegen Beteiligung an den Anschlägen in Hamburg zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Der deutsche Bundesgerichtshof hob das Urteil später aber mit der Begründung auf, möglicherweise seien entlastende Zeugenaussagen nicht berücksichtigt worden. Das Verfahren wird nun von einem anderen Strafsenat des Oberlandesgerichtes neu aufgerollt.

Unwissender Kurier

Bei dem Kurier hat es sich nach Binalshibs Vernehmungsprotokoll um einen weiteren Marokkaner gehandelt, der damals in Hamburg lebte. Er, Binalshibh, selbst habe dem Mann den Auftrag gegeben, die Zahlenfolge neun-elf einem Kontaktmann in Afghanistan zu überbringen. Ein enger Mitarbeiter von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden habe dem Kurier dann mit dem Auftrag nach Deutschland zurückgeschickt, sich ein Visum für die USA zu besorgen.

Der Kurier sei ein enger Verbündeter gewesen, habe aber nichts von den Anschlagsplänen gewusst. Die Dokumentation der Vernehmung enthalten kein belastendes Material gegen Motassadeq, dessen Name nur an einer Stelle erwähnt wird. Die US-Bundespolizei FBI teilt in einem Brief zudem mit, sie habe kein weiteres Material, das den Angeklagten betreffe.

Hamburger Al-Kaida-Zelle

Das Hamburger Oberlandesgericht hat die Zusammenfassung der Aussagen von Binalshibh vor einer Woche aus den USA erhalten. Sie widersprechen in einigen Punkten der Anklage der Bundesanwaltschaft. So ist den Aussagen zufolge die Hamburger Al-Kaida-Zelle um einen der Anführer der Attentäter, Mohammed Atta, erst im Jahr 2000 entstanden und nicht wie von der Bundesanwaltschaft angenommen bereits im Sommer 1999.

Motassadeq habe nur zu einer Reihe von Studenten gehört, die sich in der Wohnung Attas an Diskussionen über einen Heiligen Krieg und die USA beteiligt hätten, sagte Binalshibh. Seine Aussagen werden allerdings von allen Seiten angezweifelt - von den USA, die ihren Wahrheitsgehalt in Frage stellen, und von der Verteidigung, die mutmaßt, sie könnten unter Folter zu Stande gekommen sein.

Atta steuerte das erste der beiden entführten Passagierflugzeuge, die in die Türme des World Trade Centers in New York gesteuert wurden. Eine dritte entführte Maschine stürzte ins Pentagon bei Washington. Bei den Anschlägen kamen rund 3.000 Menschen ums Leben. (APA/Reuters)