Das Panzerrohr richtet sich auf das Gebäude, in dem sich der Feind verschanzt hat. Ein gezielter Schuss und es fliegt mit lautem Getöse und einer Feuersbrunst in die Luft. Der Hero trifft auf einen Widersacher, ein kurzer Kampf, die Schädelknochen knacken. Eine Kugel, die genau zwischen die Augen trifft, Hirn und Blut spritzen heraus.

Tausend

An die tausend neue PC-, Konsolen- und Handygames werden auf der diesjährigen Electronic Entertainment Expo (E3) vorgestellt. Auch wenn der Gang durch die Messehallen manchmal einem Schlachtplatz gleicht, mit Schützengräben, vermummten, kettenrasselnden Kriegern irdischer und außerirdischer Welten und flammenden Schwertern, geht es in den gezeigten Spielen nicht immer so martialisch her. "Generell lässt sich sagen, dass von den jeweils zehn meistverkauften Spielen sechs Sportspiele sind", bemüht sich Martin Filipp, Produktmanager des österreichischen Spieleentwicklers Rockstar Vienna um eine Ehrenrettung der Branche.

Eine Aussage, die von der offiziellen Messestatistik bestätigt wird. Bei 19 Prozent der Spiele, von denen der Großteil zum Weihnachtsgeschäft in den Markt kommt, handelt es sich um Action- bzw. Abenteuergames, 13 Prozent sind Rollenspiele, und elf Prozent haben im weitesten Sinn sportlichen Inhalte. In die Kategorie Familien-, Strategie- und Simulationsspiel fallen jeweils rund fünf Prozent. "Klar gibt es hier jede Menge brutale Spiele und Spiele, bei denen wie wild herumgeballert wird", räumt Michael Furtenbacher, Chefredakteur des österreichischen Fachmagazins consol.at ein. "Doch diese fallen auch deshalb mehr auf, weil sie hier und anderswo entsprechend vermarktet werden." Abgesehen davon verwundere es ihn, dass sich die Gewaltdebatte häufig auf die Spiele einschieße, Literatur und Film hier jedoch außer Acht gelassen würden.

Furtenbacher, bereits zum achten Mal auf der weltgrößten Spielemesse, ist auf der heurigen E3 vor allem von der Professionalität und Qualität der gezeigten Spiele beeindruckt. "Die Gamebranche gleicht immer mehr der Filmbranche." Bis zu 500 Leute würden mittlerweile an der Entwicklung eines Kassenrenners wie Microsofts "Halo2" oder Rockstars "Grand Theft Andreas" mitarbeiten. Eine Arbeit, die bei den Spitzenspielen mittlerweile auch Summen wie in der Filmindustrie verschlingt. "Ab zehn Millionen Euro ist man derzeit bei einem Tripple-A-Spiel dabei", sagt Niki Laber, Geschäftsführer von Rockstar Vienna.

Etwas billiger gibt es die österreichische JoWood. "Wir bewegen uns bei den Entwicklungskosten im sechsstelligen Eurobereich", so Mario Baumann, verantwortlich für das internationale Marketing des steirischen Spieleproduzenten. Er erwartet sich von der diesjährigen E3 eine bessere Positionierung, da man in diesem Markt noch nicht alles heraus geholt habe, was möglich sei. Inhaltlich setze man dabei auf Spiele mit weniger Gewalt wie etwa das Kriegsspiel "Panzer Elite Action" oder Fantasyspiele wie "Spell Force 2". Mit "Ski Racing" hat man auch den Herminator im Land des Terminators mit im Gepäck.

25 Milliarden Dollar Umsatz

Auch in anderer Hinsicht nähert sich die Spielebranche an Hollywood an. Rund 25 Mrd. Dollar wurden im vergangenen Jahr mit PC- und Konsolenspielen umgesetzt, so viel wie an der Kinokasse verdient wurde. Immer beliebter werden Filmhits als Spiele. "Der Pate", "King Kong" und natürlich "Star Wars" und andere Filmklassiker haben bereits die Konsolen und PCs dieser Welt erobert.

"Die elektronischen Spiele werden immer mehr ein fixer Teil unserer Unterhaltung", ist JoWood-Mitarbeiter Baumann überzeugt. Computerspiele seien längst zu einem ähnlichen Lifestyleprodukt geworden wie etwa Musik, meint auch Rockstarmanager Filipp. "Immer mehr Spieler suchen das Miteinander, sei es bei LAN-Partys oder zu Hause beim Online-Spielen", widerlegt consol.at-Chefredakteur Furtenbacher das Vorurteil, Spieler seien einsame Freaks vor dem Monitor. Es gebe sogar "Spielergemeinschaften" innerhalb von Familien. Hätten Vater und Sohn früher gemeinsam an der Modellbahn gewerkelt, würden sie heute in einem so genannten Clan gemeinsam Abenteuer bestehen.

Elektronische Spiele hätten auch viel mit dem Gefühl der Freiheit zu tun, beteuern passionierte Gamer. Die Freiheit kann auch darin bestehen, sich keine brutalen Spiele oder Movies reinziehen zu müssen. (Karin Tzschentke aus Los Angeles, DER STANDARD Printausgabe, 20. Mai 2005)