Solche Nachteile werden oft mit dem Hinweis darauf abgetan, dass dies ohnedies eine Art Luxus in unserer Gesellschaft sei. Aber ein solch absolutes Verständnis von Armut geht am Problem vorbei: Es geht um den Abstand, den die Armen zur Mitte des Wohlstands haben, und der wird größer. Ungeachtet moralischer Fragen führt diese Entwicklung zu einer Polarisierung unserer Gesellschaft, wachsenden sozialen Spannungen, letztlich innerem und äußerem Unfrieden - das 20. Jahrhundert hat uns darin eine Lektion erteilt.
Die eigentliche Gefahr ist, dass auf zynische Weise in dieser - stark mit Arbeitslosigkeit verknüpften - Entwicklung ein probates Mittel gesehen wird, um Löhne und Ansprüche niedrig zu halten und Einschnitte im Sicherheitsnetz zu rechtfertigen. Immer deutlicher wird "selber schuld" zur Botschaft an diejenigen, die den Anschluss verlieren. Einfache Antworten darauf wird es nicht geben. Möglich, dass die Einführung einer Grundsicherung das Sicherheitsnetz verstärkt; die Ursachen von Armut löst sie jedoch nicht. Dazu ist es nötig, das Problem überhaupt wahrzunehmen - was unsere Politik standhaft verweigert. (aus Helmut Spudich: Wahrnehmungsproblem, ©Der Standard)
Martin Schenk Sozialexperte bei Diakonie Österreich, Mitbegründer „Die Armutskonferenz“
Markus Marterbauer Ökonom, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Alexander Maly Sozialarbeiter, Schuldnerberatung des Fonds Soziales Wien
Ferdinand Lacina Bundesminister für Finanzen a.D., Konsulent der Bank Austria Creditanstalt AG, Vizepräsident des Bruno Kreisky Forums