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Salzburg – "Es geht ihnen gut." Die dreiköpfige deutsch-japanisch-österreichische Expedition mit Ralf Dujmovits, Hirotaka Takeuchi und Gerlinde Kaltenbrunner erkunde derzeit die Bedingungen auf der chinesischen Nordseite des Mount Everest, heißt es auf Anfrage des STANDARD beim deutschen Expeditions- und Alpinreisebüro "amical alpin".

Mit ihnen sei auch eine Gruppe aus Tschechien am Fuß der Everest-Nordwand. Vorausgesetzt das Wetter spielt mit, könnten die drei Anfang Juni wieder nach Hause zurückgekehrt sein, hoffen die Mitarbeiter von "amical alpin". Ihr Chef, Dujmovits, ist gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Kaltenbrunner und Takeuchi seit über einem Monat im Himalaya unterwegs.

Das erste Ziel der ehrgeizigen Expedition haben die drei im vergangenen Monat jedenfalls schon erreicht: Sie haben die Südwand des 8013 Meter hohen Sisha Pangma in China durchstiegen. Mit dem Abstieg nach Norden sei daraus "die erste Süd-Nord-Überschreitung" des kleinsten der 14 Achttausender geworden, notierte Dujmovits in das Expeditionstagebuch.

Ohne Seil

Die ganze Aktion wurde ohne künstlichen Sauerstoff und ohne Fixseile – im reinen Alpinstil also – durchgeführt. Es war der zweite Versuch: Schon 2004 versuchten die drei Alpinisten die Südwand des Shisha Pangma zu bezwingen. Dabei wurde Dujmovits von einem Stein am Fuß getroffen, und die Bergsteiger mussten umkehren.

Widrige Bedingungen

Die Bedingungen waren aber auch heuer wieder alles andere als gut. "Stark verschneit, nahezu senkrecht und übel brüchig", schrieben Dujmovits und Kaltenbrunner in ihr via Internet publiziertes Tagebuch. Dujmovits hatte in der Wand sogar eines seiner Steigeisen verloren, beinahe wäre das Vorhaben erneut gescheitert. Kaltenbrunner musste abklettern, um das Steigeisen zu holen.

Auf etwa 7300 Meter Seehöhe kommt dann noch starker Schneefall und Lawinengefahr hinzu: "Das Gas geht zur Neige, wir sind an exponierter Stelle, die Erholung in den tropfnassen Schlafsäcken geht gegen null, der Appetit ist ebenfalls am Nullpunkt, und draußen donnern die Lawinen", ist im Tagebuch zu lesen. Am 8. Mai schließlich stehen die drei nach sieben Tagen Dauereinsatz in der Wand "ziemlich erledigt" dann doch am Gipfel.

Gelingt der Gipfelsieg auf dem Everest, wäre das für die 34-jährige Kaltenbrunner ihr insgesamt neunter Achttausender. Die in Spital am Pyhrn aufgewachsene Berufsbergsteigerin stand bereits im zarten Alten von 23 Jahren erstmals auf über 8000 Meter Seehöhe, am Vorgipfel des Broad Peak (8041 m) in Pakistan. "Seither ließ mich der Gedanke an die hohen Berge nicht mehr los", beschreibt Kaltenbrunner ihre Sucht.

Extrem erfolgreich

Ihre Liste von eindrucksvollen Erfolgen an den höchsten Bergen der Erde macht sie zu einer der erfolgreichsten Höhenbergsteigerinnen weltweit und lässt vermutlich viele der männlichen "Extremen" vor Neid erblassen: Nach dem Vorgipfel des Broad Peak im Karakorum folgten von den Achttausendern 1998 der Cho Oyu, 2000 das erste Mal der Shisha Pangma, 2001 der Makalu, 2002 der Manaslu, 2003 der Nanga Parbat und 2004 im Doppelpack Annapurna und Gasherbrum. Nur im Frühjahr 2003 musste Kaltenbrunner am Kangchendzönga in Nepal den Rückzug antreten. (Thomas Neuhold, DER STANDARD Printausgabe, 19.05.2005)