Eine jener grellen, aber nicht sehr tragfähigen Ideen von Regisseur Daniele Abbado: die arme Pamina (Rachel Harnisch) im Löwenkopf, der Monostatos gehört.

Foto: Baden-Baden
...ließ er seinen Sohn Daniele Abbado inszenieren.


Kooperationen werden zusehends zu Herzschrittmachern von Festivals. So viele wie die Wiener Festwochen, für die Europas Kooperationskönig Stéphane Lissner programmiert, haben zwar nur wenige. Aber auch die auf ihre Exklusivität stolzen Salzburger Festspiele kommen ohne Partnerschaftsprojekte nicht aus - die Atomisierung der Eigenständigkeit und die Verwässerung des Eigenprofils sind in Zeiten real sinkender Budgets der Trend. Womöglich wird es dereinst in Europa ja nur noch ein Festival unter verschiedenen Namen geben - bestückt von einem Musiktheater-Wanderzirkus.

Auch die Festspiele von Baden-Baden können sich der Entwicklung nicht entziehen. Aber heuer hatte man Glück, jemanden zu erwischen, der sich dem Betrieb nicht mehr ausliefert. Dirigent Claudio Abbado hat nach seiner schweren Krebserkrankung den Job bei den Berliner Philharmonikern nicht mehr verlängert und macht nur noch das, was Spaß macht. Wozu auch gehört, um Österreich einen Bogen zu machen. In Luzern hat er ein Orchester gegründet. Ansonsten aber seine Aktivitäten reduziert.

Wer ihn "bekommt", kann also eine gewisse Aufmerksamkeit generieren. Exklusivität verzeichnen. Baden-Baden hat hier gut aufgepasst, seinen Blick auf die Ränder der Opernwelt gerichtet. Nach Reggio Emilia also, wo Daniele Abbado, der Sohn des Dirigenten, Intendant ist. Dort nahm sich der Papa erstmals Mozarts Zauberflöte vor, und Baden-Baden schloss sich dem Projekt an. Auch eine Kooperation. Aber sie macht den mittlerweile "unsichtbaren" Abbado immerhin sichtbarer.

Auch dem Sohn ist dafür zu danken. Der Preis, den man als Zeuge zu zahlen hat, ist allerdings, Danieles Inszenierung erleiden zu müssen. Wobei "Inszenierung" eine Übertreibung ist. Der Sohn hat das Geschehen trostlos arrangiert, von einer Deutung kann nicht die Rede sein.

Mitunter hatte man das Gefühl, die Figuren könnten im Stehen eingeschlafen sein - klar, dass dies bei den Sprechteilen zu erheblichen Bremseffekten führte. Was an Bühnenaktion sichtbar wurde, lebte denn auch von den alleingelassenen Schauspieltalenten der Protagonisten. Soweit eben vorhanden, wie bei Markus Werba (als Papageno).

Das bisschen an Ideen, das vorhanden ist, leuchtete vor allem im Optischen (Bühnenbild: Graziano Gregori) auf. Doch hat auch das nur bedingt Substanz: Tamino (delikat Christoph Strehl) und Pamina (tadellos lyrisch Rachel Harnisch) beobachten selbst, wie sie als kleine Puppen Prüfungen bestehen. Monostatos (profund Kurt Azesberger) lebt in einem Löwenkopf, der wirkt, als hätte man ihn vom Wiener Wurstelprater geliehen. Und die Priestergesellschaft sitzt auf einer Schräge und weckt Assoziationen an lustige Sandalenfilme.

Sehr oft ist die Bühne nahezu leer, was bei entsprechender Lichtgestaltung Atmosphäre gebracht hätte - doch leider. Dafür dürfen die drei Damen reichlich Kleider wechseln, während die Königin der Nacht (koloratursicher, aber klanglich schroff: Erika Miklosa) in einer Kugel erscheint. Macht Wirkung. Dennoch ist man öfters versucht, das Glück bei geschlossenen Augen zu suchen.

Schließlich hat Claudio Abbado mit dem Mahler Chamber Orchestra einen grazilen, durchsichtigen Klang gewählt, der die Musik so leicht macht, als wollte man Mozart übers Wasser gehen lassen. Es geht allerdings nicht um harmlosen Schönklang. Jedes Detail, jeder Akkord wird ernst genommen, man kommuniziert lebhaft mit der leider leblosen Bühne.

Abbados Kammermusikideal ist hier orchestrale Wirklichkeit geworden; und die punktuelle Herbheit der Bläser zeugt davon, dass auch die Originalklangbewegung am Maestro nicht spurlos vorbeigegangen ist. "Der schönste Applaus ist die Stille nach dem Verklingen des Werkes", hat Abbado einmal gesagt. Sie hat sich nicht eingestellt. Doch kein Grund, ins Grübeln zu geraten. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.05.2005)