Der kanadische Meister im Spiel mit realen und virtuellen Identitäten (Die Fliege, Die Unzertrennlichen) ist im Wettbewerb unter dem viel versprechenden Titel A History of Violence quasi ins David-Lynch-Country aufgebrochen: Ein US-Kleinstadtidyll rund um einen scheinbar friedlichen Coffeeshop-Betreiber (Viggo Mortensen) kippt um in zunehmend eskalierende Gewalttätigkeit.
Ausgehend von einem Comicbuch von John Wagner erprobt sich Cronenberg trotz der bei ihm obligaten Herbstlandschaften in teilweise ziemlich drastischem Humor, etwa wenn eine Ehefrau ihren Mann verdächtigt, er sei schizophren - und dadurch in mehrfacher Hinsicht sehr erregt wird. Oder wenn William Hurt als ultrabrutaler Mafiaboss beim Thema Ehe und Geschwister eher weinerlich wird.
"Verdammte Kritiker!"
Da haben manchmal Leute im Publikum gelacht, bis jemand laut brüllte: "Verdammte Kritikerbande, nehmt das doch endlich ernst!" - vielleicht, weil es bei David Cronenberg nur selten etwas zu lachen gab, und jetzt sind alle ein bisschen unsicher, wie sie mit solchen neuen Tonarten umgehen sollen.
Um das endgültig entscheiden zu können, wird man A History of Violence noch einmal sehen müssen. Vorerst wird man das Gefühl nicht los, dass diese Geschichte bei David Lynch besser aufgehoben gewesen wäre.
Wirklich enttäuschend ist hingegen der zweite Teil von Lars von Triers USA-Trilogie: Nachdem die von Nicole Kidman gespielte naive Idealistin Clare in Dogville quasi die Hölle weißer Ignoranz und Bigotterie durchmachen musste, verschlägt es sie nun in Manderlay auf eine Sklavenplantage - wo sie feststellt, dass sie auch und vielleicht sogar gerade unter Geknechteten mit hehren Zielen kaum etwas erreicht. Gespielt wird Clare diesmal, da Nicole Kidman nicht mehr verfügbar war, von Bryce Dallas Howard - und das ist vielleicht die schlagende Schwäche des Films: Die junge und noch relativ unerfahrene Schauspielerin signalisiert nur wenig mehr als bemühtes "Engagement".