Sie sind eine der sieben Plagen - in der Bibel und laut Franz Müntefering auch im Kapitalismus: Heuschrecken! Eiskalt, unkontrollierbar und ohne jede Rücksicht fallen sie heute in Gestalt von Investmentfonds über wehrlose Unternehmen her, setzen die Politik unter Druck und die Menschen auf die Straße. Die These fällt auf fruchtbaren Boden: Fast 80 Prozent der Deutschen begrüßen die Kapitalismusdebatte.

So schrill die Worte und Warnungen klingen, sie treffen nicht nur auf breite Zustimmung sondern einen Nerv: Der Kapitalismus entwickelt sich in seinem zweihundertjährigen Siegeszug zur Gefahr - und zwar für sich selbst.

So steht der Kapitalismus nicht zum ersten Mal vor einer Metamorphose. Viele seiner Kritiker hat er überlebt und ist meist gestärkt aus den Krisen hervorgegangen - angefangen vom Frühkapitalismus, der in der Einführung von Sozialgesetzen und Arbeitnehmerrechten schließlich in der Industriegesellschaft mündete, die wiederum durch die Globalisierung und die Informationsgesellschaft in eine neue Stufe überging.

Der "alte" Kapitalismus geht. Wie der "neue" aussieht, hängt davon ab, wie gut es gelingt, das "Gute" an ihm zu retten:

1. Auswüchse eindämmen: Immerhin 18 Prozent der deutschen Arbeitnehmer rechnen auch ihren Arbeitgeber zu den Heuschreckenkapitalisten. Maßlosigkeit und Narzissmus haben zusammen mit einigen spektakulären Skandalen das Ansehen der Wirtschaftsführer und das Vertrauen der Menschen in ökonomische Prozesse nachhaltig geschädigt.

Auf allen Ebenen muss daher gegengesteuert werden: Angefangen mit der ethischen Ausbildung für die zukünftigen Manager über aktivere Aufsichtsräte, solidere Corporate Governance bis zu einer gestärkten Rolle supranationaler Organisation wie UNO, Weltbank und WTO: "Ein Unternehmen ist nur dann langfristig erfolgreich, wenn es seine Rolle als verantwortungsbewusstes Mitglied der Gesellschaft ernst nimmt", so formulierte es vor Kurzem Wienerbergers Vorstandschef Wolfgang Reithofer.

Der "freie Markt" ist das Gegenteil von "freier Wildbahn" und setzt damit Regeln voraus, die Korruption, Umweltverschmutzung und menschenverachtenden Arbeitsbedingungen Einhalt gebieten.

2. Vorteile bewusst machen: Eine erfolgreiche Gesellschaft braucht erfolgreiche Unternehmen - und diese brauchen (Risiko-)Kapital, gerade wenn sie innovativ sein wollen. Das gilt auch für die viel gescholtenen, mächtigen Private-Equity-Fonds: Sie kontrollieren allein in Deutschland Unternehmen mit einem Wert von 20,3 Milliarden Euro, und sichern dadurch 640.000 Jobs.

Auch neue Arbeitsplätze kamen hinzu: Zum Beispiel mehr als 3000 beim Geldautomaten-Hersteller Wincor-Nixdorf. Auch die Kleinanleger profitierten vom Börsengang mit einem Kursplus von mehr als 50 Prozent. Für viele Neuunternehmer sind MBO-Fonds unverzichtbar. Zum Beispiel beim Nudelproduzenten Birkel, dessen erfolgreicher Fortbestand dadurch gesichert wurde.

3. Ängste abbauen: Dass der Pay-TV-Anbieter Premiere wohl ohne den britischen Permira-Fonds nicht mehr existieren würde, es kein Amazon, kein Google, kein Betapharm gäbe, baut noch keine Ängste ab. Wo die Sorge angesichts der Globalisierung am größten ist, hilft ein Blick in die Gesamtbilanz und vor allem das nah Erlebte: So ist Deutschland Exportweltmeister, und Österreichs Wohlstand wird von der Globalisierung vor allem gegen Osten genährt. Wichtig wäre, dass die vielen Vorzeigeunternehmer wie Norbert Zimmermann, Willi Dörflinger oder Hans Peter Haselsteiner die Gründe und Folgen unternehmerischer Entscheidungen deutlich machen, um pauschale Ängste abzubauen. Provokante Sprache mit Anleihen aus einem dunklen historischen Kapitel hilft uns nicht bei diesem Unterfangen. Damit erst gar keine Plage auf uns zukommt, müssen wir dafür sorgen, dass sich der Wind in der Diskussion dreht.