Wien - Die SPÖ wirft Innenministerin Liese Prokop (V) vor, über den Zivildienst "Lohndumping" im Sozialbereich betreiben zu wollen. Die Arbeiterkammer hatte gestern darauf aufmerksam gemacht, dass mit der geplante Zivildienstnovelle EU- und EWR-Bürgern die Möglichkeit eingeräumt würde, in Österreich einen freiwilligen Zivildienst zu leisten. Prokop hatte daraufhin angekündigt, die Bestimmung nochmals prüfen zu lassen. Die SPÖ vermutet aber "Methode" dahinter.

Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos sprach am Freitag bei einer Pressekonferenz von einem "wirklichen Skandal". Werde der Prokop-Entwurf umgesetzt - die Begutachtungsphase endet heute - so könnten "billige, nicht ausgebildete Arbeitskräfte" aus osteuropäischen Ländern unter Umgehung von Übergangsfristen und ohne Beschäftigungsbewilligung in Österreich arbeiten, meinte Darabos. Hier werde Lohndumping über die "Hintertür" betrieben. Darabos glaubt, dass das Innenministerium den Passus ganz bewusst gewählt hat und dem Druck des Roten Kreuzes stattgegeben hat.

Aufforderung

Er forderte Prokop auf, die Bestimmung sofort aus dem Entwurf herauszunehmen. Ansonsten werde die SPÖ das "zu verhindern wissen". Darabos geht nämlich davon aus, dass die Zustimmung seiner Partei nötig wäre.

Weiter abgelehnt wird von der SPÖ auch die von Prokop geplante Kürzung des Zivildienstes von zwölf auf neun Monate (bei freiwilliger Verlängerungsmöglichkeit um drei Monate). Darabos glaubt sogar, dass das verfassungswidrig wäre. Da der Wehrdienst auf sechs Monate gekürzt wird, werde das Höchstgericht wohl eine "adäquate Gleichstellung" der Zivildiener verlangen. Und diese ist für die SPÖ bei einem Modell 9+3 nicht gegeben. Man werde daher in den parlamentarischen Verhandlungen weiter auf das SPÖ-Modell von 6+3 drängen, meinte Darabos.

Übergangsphase

Eine Kürzung auf neun Monate ist für ihn nur in einer Übergangsphase denkbar, spätestens ab 2008 müsse eine weitere Reduktion folgen, erneuerte er ein SP-Kompromissangebot. Viel mehr "Spielraum" sehe er aber nicht. Neuerlich bot er der ÖVP auch an, bei Zivildienst-Frage gänzlich auf die Zwei-Drittel-Erfordernis zu verzichten. Dann könnte jede Regierung ihre Reform machen. Und eines ist für Darabos auch klar: Gibt es keine Einigung mit der ÖVP und fällt die Verfassungshürde nicht, so würden die zwölf Monate bleiben. "Und dann weiß ich, was der VfGH tun wird - nämlich aufheben."

SP-Frauenvorsitzende Barbara Prammer zeigte sich in einer Aussendung "besorgt" über die geplante Möglichkeit, den Zivildienst für Frauen zu öffnen. Sie befürchtet, "dass durch die hohe Arbeitslosigkeit auf Frauen hier Druck ausgeübt wird, auf diesem Weg eine Arbeit zu finden".

Geplante Öffnung

Zum Ende der Begutachtungsfrist kam am Freitag auch Kritik von den Grünen, der Zivildiener-Vertretung und den Johannitern am Zivildienst-Entwurf von Innenministerin Liese Prokop (V). ÖVP-Zivildienstsprecher August Wöginger bekräftigte in einer Aussendung indes, die geplante Öffnung des freiwilligen Zivildienstes für EU- und EWR-Bürger werde nochmals geprüft. Inhaltlich verteidigte er aber den Passus.

Die SPÖ befürchtet, die Bestimmung könne zu Lohndumping führen. Die ÖVP sei sich der Problematik bewusst. Einer Legalisierung von Missbrauch werde jedenfalls der Riegel vorgeschoben, meinte Wöginger. Tatsache sei aber auch, dass die Zivildienst-Kommission die Öffnung des freiwilligen Zivildienstes für Frauen gefordert habe. Und europarechtlich müsste somit im Rahmen der Arbeitnehmer-Freizügigkeit für alle unter 35-jährigen EWR- und EU-Bürger diese Möglichkeit geboten werden, so Wöginger. Bei der Zivildienst-Kürzung hält er am Modell 9+3 fest. Die von der SPÖ geforderten sechs Monate würden laut ihm zu "massiven Problemen" im Sozial- und Gesundheitsbereich führen.

Warnung vor Unterschreiten der Qualifikations- und Entgeltstandards

Die Grüne Frauensprecherin Brigid Weinzinger warnte ebenfalls vor einem Unterschreiten der derzeitigen Qualifikations- und Entgeltstandards durch freiwillige Zivildiener aus den neuen EU-Mitgliedern. Sie lehnt auch eine Öffnung des Wehrersatzdienstes für Frauen ab. "Frauen dürfen nicht als Lückenbüßerinnen für Versäumnisse im Sozial- und Gesundheitsbereich herhalten", so Weinzinger.

Die Plattform für Zivildiener kritisierte am Prokop-Entwurf zudem, dass das "Problem der mangelnden Versorgung bei Wohnung und Verpflegung" nicht gelöst werde und keine Attraktivierungsmaßnahmen vorgesehen seien. Die längere Dauer des Zivildienstes werde mit einer Urlaubskürzung sogar noch verschlimmert. Während die Dienstdauer um 25 Prozent gekürzt werde, werde der Urlaub um 50 Prozent gekürzt. "Das ist Verkürzung nach PISA", ätzte Plattform-Sprecher Christian Kollmann.

Anreiz

Die Johanniter-Unfall-Hilfe schloss sich der Kritik an der Öffnung für den EWR-Raum an: Es sei zu erwarten, dass Menschen aus EU-Ostländer nicht nur aus ideellen Gründen Zivildienst in Österreich anstrebte, sondern ihnen die Vergütung und Sozialversicherung als Anreiz reiche.

Auch für die Bundesjugendvertretung setzt Prokop mit der Öffnung für Freiwillige "auf das falsche Pferd". Sie möchte bestehende Freiwilligendienste fördern. (APA)