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Aufregung um geplante TV-Ansprache von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auf beiden ORF-Kanälen.

Foto: APA/Harald Schneider
Die für kommenden Samstag geplante TV-Ansprache von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auf beiden ORF-Kanälen hat am Donnerstag auch im Hohen Haus für Aufregung gesorgt. SP-Vorsitzender Alfred Gusenbauer forderte den (nicht anwesenden) Regierungschef während der im Fernsehen live übertragenen Bildungsdebatte im Nationalrat auf, den "Hilferuf" der ORF-Redakteure, die sich um die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Senders sorgen, ernst zu nehmen und von seiner Rede Abstand zu nehmen.

Gusenbauer: "Nehmen sie Abstand, wenn es ihr Wunsch war. Nehmen sie die Einladung nicht an, wenn es der Wunsch des ORF war"

Gusenbauer betonte, dass es sich bei dieser Fernsehansprache um ein Format handle, das bisher einzig dem Bundespräsidenten vorbehalten gewesen sei. Daher sein Appell an Schüssel: "Nehmen sie Abstand, wenn es ihr Wunsch war. Nehmen sie die Einladung nicht an, wenn es der Wunsch des ORF war."

Freiheitlicher Neudeck: "Einfach nicht aufdrehen"

Aus den Reihen der Koalition wurde diese Aussagen mit Hohn beantwortet: "Einfach nicht aufdrehen", empfahl der freiheitliche Abgeordnete Detlev Neudeck. VP-Justizsprecherin Maria Fekter: "Sie müssen sich ja ganz schön fürchten vor unserem Herrn Bundeskanzler."

Molterer: "Kampagne" von SPÖ und Grünen, um "ihnen genehme Berichterstattung" herbeizuführen

Für ÖVP-Klubobmann und -Mediensprecher Wilhelm Molterer ist die Kritik der Opposition ein Versuch, Druck auf den ORF auszuüben. SPÖ und Grüne wollten eine "ihnen genehme Berichterstattung" herbeiführen und sollten "die Hände vom ORF" wegnehmen. Diese "Kampagne" der Oppositionsparteien stehe "im krassen Widerspruch zur Praxis, die Unabhängigkeit des Österreichischen Rundfunks zu stärken", betonte Molterer. Gusenbauers Bezugnahme auf das Thema in der Nationalratsdebatte sei ein Versuch, "Druck auf die Geschäftsführung und führende Mitarbeiter des Unternehmens auszuüben" und müsse "auf das Schärfste zurückgewiesen werden".

Die Grünen griffen die Causa ebenfalls nochmals auf. Erstredner Dieter Brosz meinte: "Wir erwarten von Bundeskanzler Schüssel, dass er am Samstag auf seine Propagandasendung im ORF verzichtet."

Keinen Anlass dazu sieht ÖAAB-Chef Fritz Neugebauer, der angesichts des Staatsvertrags-Jubiläums einen "wichtigen und richtigen Anlass" sieht, dem Spitzenrepräsentanten der Regierung die Gelegenheit zu geben, sich an die Bevölkerung zu wenden. Der VP-Abgeordnete erinnerte auch daran, dass der nunmehrige SP-Kommunikationschef Joe Kalina im Jahr 1999 als Sprecher von Kanzler Viktor Klima "massiv" im ORF interveniert habe, um "kanzlerkritische Passagen" aus Beiträgen zu entfernen.

Ging es damals um acht fehlende Sekunden in der "Zeit im Bild 1", so geht es nun um vier zusätzliche Minuten im Anschluss an die "ZiB". Geplant ist, dass Schüssel am kommenden Samstag anlässlich 50 Jahre Staatsvertrag eine vierminütige Ansprache hält, die in ORF 1 und ORF 2 zeitgleich ab 19.50 Uhr ausgestrahlt wird. Während die ORF-Führung dies unter Hinweis auf die Einzigartigkeit des Jubiläums verteidigt, lehnt der Redakteursrat das Vorhaben ab und spricht von einer fatalen Fehlentscheidung, etat.at berichtet.

Unmut auch beim Regierungspartner BZÖ

Unmut gibt es beim ÖVP-Regierungspartner BZÖ. "In einem sensiblen Bereich wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollten die ORF-Spitzen mit so politisch gefärbten Auftritten doppelt vorsichtig umgehen", so Bündnissprecher Uwe Scheuch. (APA)