Ein Leuchttisch der LED-Art von Meister Ingo Maurer.

Foto: Hersteller

Eine halbe Tonne wiegt das Ding, drei Glasplatten sind schließlich kein Pappenstil. Und Sicherheitsglas muss es sein, beim Wohnzimmer-Firmament können keine Kompromisse gemacht werden. Aber wie leicht fällt das gläserne Karree trotzdem aus! Und wie darin die Sternchen funkeln, glatt könnte man sich unterm Wüstenhimmel wähnen! Bloß dass der echte Sternenhimmel nicht höhenverstellbar ist. Und dass auf ihm weder Aschenbecher noch Whiskygläser postiert werden können.

Ingo Maurers LED-Table, mit dem Münchens Altmeister der eher poetischen Schule der Leuchten-Gestaltung die gemeine Gattung des Glas-Couchtisches im Jahre 2003 in Richtung Design-Himmel hob, kann all das locker: sich nächtens illuminieren, als Tisch dienen, ätherischen Charme verstrahlen. Um eine "nur" technische Spielerei handelte es sich aber schon damals nicht. Eher um einen Meilenstein des schon in pharaonischen Tagen begonnenen, langen Weges eines reizvollen, seit jeher der Technik verpflichteten Materials. Mit dem erstaunlichen Möbel, dessen Entwurf eine Phase verstärkten Interesses am Werkstoff Glas zumindest mitprägte, war der Fokus von Färben und Verbiegen und Ätzen desselben auf neue Technologien weitergerückt. Im Falle des LED-Tables, etwa auf jene minusculen Leuchtdioden, die, ins Glas eingelassen, dem Uraltmaterial völlig neue Akzente bescherten.

Das Funkeln der Avantgarde...

... das wenig später auch Hersteller wie Zanotta mit dem dekorativ im Dunkeln leuchtenden LED-Glastisch "Lucciolo" aufgriffen, war eine Sache. Der funktionale Zusatznutzen, den man daraus ziehen könnte, freilich eine andere. Effektvolle Interieur- oder Fassadengestaltungen mögen bei der Aufrüstung von Verbundglas mit Leuchtdioden in Sichtweite sein und die formalen Optionen von Design und Architektur erweitern. Doch das war es dann auch schon. Absehbarer sind indessen andere technische Aufrüstungen des Materials, die soeben smarte neue Produkte mit sich bringen: Mithilfe von "Helioran"-Modulen, die etwa in Raumtrennern oder in Solarwänden zum Einsatz kommen, lassen sich lichtleitende Fenster und Elemente realisieren, die die Lichtqualität verbessern und das Tageslicht bis in große Raumtiefe leiten können.

Beachtung verdient aber auch eine andere Weiterentwicklung: jene von elektrisch leitfähigem Glas. Neu ist die Sache an sich freilich nicht. Neu ist lediglich das erweiterte Einsatzgebiet, das von der traditionellen Hitech-Verwendung bei beschlagfreien Labor-Sichtfenstern in alltägliche Bereiche wie das Badezimmer führt. Aktuelle Produkte wie die "Supratherm"-Glasheizung stellen damit eine Querverbindung in die alltägliche Konsumgüter-Welt dar: Eine transparente Glasscheibe mutiert so zu einem Heizkörper fürs Bad, dessen Oberfläche es auf immerhin 55 Grad Celsius schafft - was für Zusatzwärme nicht zu verachten ist. Die dahinter verborgene Technik ist einfach: Man nehme eine der Innenseiten von Verbundglas, belege sie mit durchsichtiger Indium-Zinnoxid-Schicht (ITO) und nutze den elektrischen Widerstand, über den diese verfügt, zur Erzeugung von Strahlungswärme.

Gelöst sind auch technische Probleme...

... die in diesem Zusammenhang bislang auftauchten: Lästig war der Widerstand der ITO-Schicht, der die Basis für die Wärmerzeugung bietet, etwa dann, wenn Energie verlustfrei transportiert werden sollte. Techniker der Firma Inglas haben aber auch dafür eine Lösung gefunden: Systeme mit zwei getrennten ITO-Leitern sowie die physikalische Regel, derzufolge bei höheren Spannungen geringere Ströme fließen und dadurch der Widerstand des Leiters eine geringere Rolle spielt, erlauben so auch scheinbar paradoxe Weiterentwicklungen wie die Steckdose im Glas. Freuen kann man sich bereits jetzt über die augenscheinlichen Vorteile des zur Marktreife gebrachten "Supratherm"-Systems: Flach wie die Flunder macht sich die heizende Glasscheibe gerade in so beengten Raumsituationen, wie sie Bad oder WC darstellen, besonders gut - berücksichtigt man den Mindestabstand von 60 cm zur Dusch-oder Badewanne. Eine umständliche Rohrverlegung bleibt einem dabei erspart, die heizende Scheibe wird einfach an eine 230-V-Steckdose oder in Unterputz-Montage angeschlossen.

Ergänzende Accessoires wie gewärmte Handtuchhalter sorgen für die wohlige Zwischenlagerung der Energie im flauschigen Textil. Was das alles bringt? Nun, nehmen wir an: Einfamilienhaus, freistehend in windschwacher Lage, Baujahr 1960 bis 1977, also Häuslbauer-Paläozoikum. Man berechnet ferner: Bad-Grundfläche von sechs Quadratmetern, die darüber oder darunter liegenden Räume sind nicht beheizt. Das Bad hat eine Außenwand mit einem kleinen, isolierverglasten Fenster. Außentemperatur: minus achtzehn Zapfen. Bloß im Bad herrscht glasklare Wärme: 22 Gräder immerhin!
(Robert Haidinger/Der Standard/rondo/13/05/2005)