Der Ablauf war in letzter Zeit immer der Gleiche: Die FPÖ verliert eine Wahl - und Jörg Haider zuckt aus. Bis hin zur Gründung des BZÖ. Daher braucht man sich nur eines vorzustellen: Was passiert, wenn in Wien gewählt wird, und es zerbröselt dabei sowohl die FPÖ als auch das BZÖ. Genau das ist derzeit das Druckmittel von Michael Häupl gegenüber Wolfgang Schüssel: Bei einer empfindlichen Niederlage in Wien wäre Jörg Haider wohl weniger berechenbar denn je. Da wäre die jüngste Slalomfahrt Haiders zur EU-Verfassung - erst zustimmen im Parlament und dann das Verfassungsgericht anrufen wollen - nur ein lauer Auftakt gewesen. Und das wenige Monate vor dem EU-Vorsitz Österreichs im ersten Halbjahr 2006. Mit solchen Aussichten könnte die Bundes-ÖVP vielleicht doch noch für gemeinsame Wahlen im Herbst gewonnen werden.Dazu kommt eine wahre Morgengabe für Häupl: der angekündigte Neuwahlantrag der Grünen. Monatelang hatte er auf eine passende Gelegenheit gewartet, die Wiener Wahlen vorziehen zu können. Schließlich gilt es aus seiner Sicht auf jeden Fall zu vermeiden, dass der Bund vor Wien zur Urne bittet. Die "Absolute" für die Wiener SPÖ könnte wackeln, wenn es keine schwarz-blaue oder -orange Bundesregierung mehr gibt. Aber Häupl selbst durfte nicht initiativ werden - wer mutwillig Wahlen vom Zaun bricht, den bestraft der Wähler. Das haben ihm die Grünen nun abgenommen. Häupl bräuchte bei Bedarf nur noch zuschlagen - die SPÖ hat den Antrag ja nicht gestellt. Die Überlegung der Grünen dabei: Sie wollten das Herumlavieren beenden und Häupl derart in die Enge treiben, dass er reagieren muss. Allerdings: Für ÖVP und FPÖ oder BZÖ ist es nun ein Leichtes, die Grünen endgültig als Handlanger und "Erfüllungsgehilfen" der Roten abzustempeln.( Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe 12.5.2005)