Karlsruhe - Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe steht vor der Entscheidung, ob ein mutmaßlicher Unterstützer der Todespiloten des 11. September 2001 mangels Beweisen endgültig freizusprechen ist. Am Donnerstag verhandelt der Staatsschutzsenat des BGH über Abdelghani Mzoudi, der am 5. Februar 2004 vom Vorwurf der Beihilfe zu den 3066 Morden in den USA und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung freigesprochen worden war.

Bestätigt der Bundesgerichtshof die Freisprüche, ist das Strafverfahren gegen den 32-jährigen aus Marokko stammenden Studenten beendet. Andernfalls muss der Prozess noch einmal aufgerollt werden. Wann der Staatsschutzsenat des BGH das Urteil verkünden wird, ist noch offen. Das Strafverfahren gegen Mzoudi stand ebenso wie das gegen den zweiten Hamburger Beschuldigten Mounir Motassadeq vor dem Problem, dass die US-Behörden die Zeugenaussagen zweier Drahtzieher der Anschläge vom 11. September nicht freigaben.

9/11 in Afghanistan geplant

Das Oberlandesgericht Hamburg beurteilte die Indizien als nicht ausreichend, um den Hamburger Studenten aus der Gebetsgruppe des späteren Todespiloten Atta Mitwisserschaft und Unterstützung der geplanten Anschläge zu beweisen. Das Hamburger Gericht stützte sich auf die Aussage des Verfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm, dass die Anschläge vom 11. September in Afghanistan geplant wurden und nicht von der Hamburger Zelle um Atta. Ein Aufklärungshindernis sahen die Hamburger Richter auch darin, dass die Aussagen zweier in amerikanischem Gewahrsam sitzender Hauptbeschuldigter von den US-Behörden gesperrt wurden. Rechtshilfeersuchen des Gerichts auf Vernehmung der früheren Mitglieder aus Attas Zelle Ramzi Binalshibh und Khalid Scheich Mohammed wurden abgelehnt.

Kritik an Hamburger Gericht

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und 26 Nebenkläger legten gegen den Freispruch Mzoudis Revision ein, über die ab Donnerstag verhandelt wird. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Hamburger Urteil schwere Mängel vor. Auf Anfrage teilte die Behörde vorab mit, das Oberlandesgericht sei "erkennbar den rechtlichen Schwierigkeiten aus dem Weg gegangen, die durch die unzureichende Rechtshilfe durch die USA entstanden sind". Dabei habe sich das Gericht den Blick auf die Gesamtwürdigung aller Beweismittel verstellt.

Bereits in einem früheren Urteil hatte der BGH festgestellt, dass die Sperrung der Aussagen durch die USA Folgen für die deutschen Strafverfahren habe. Das Gericht müsse genau prüfen, ob es auch bei möglichen entlastenden Aussagen der gesperrten Zeugen immer noch zu einem Schuldspruch komme. Es müsse ausgeschlossen werden, dass ein ausländischer Staat durch Sperrung möglicher Entlastungszeugen indirekt Einfluss auf ein Strafverfahren nehmen könne. Mit diesem spektakulären Urteil vom hob der BGH im März 2004 die erste Verurteilung des mutmaßlichen Anschlagshelfers Mounir Mottasadeq zu 15 Jahren Freiheitsstrafe auf. Der Prozess wird gegenwärtig vor einem anderen Strafsenat des OLG Hamburg wiederholt.

Nun muss sich der Dritte Strafsenat des BGH wiederum mit den Folgen der Zeugensperrung befassen. Die Frage wird aber diesmal sein, ob die Unmöglichkeit der Vernehmung der Zeugen Binalshibh und Scheich Mohammed den Freispruch rechtfertigten. (APA/AP)