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Eine Trilogie, weiß der geschulte Leser, setzt sich aus drei weit gehend autonom existierenden Texten zusammen. Von wegen! Nicht so bei Schiller. Seine Wallenstein-Trilogie kann beim besten Willen nicht als Ensemble dreier unabhängiger Dramen beschrieben werden. Ihr gewaltiger Textkörper umfasst vielmehr ein zehnaktiges Monsterdrama, das, kühn zerschnitten und Fortsetzungsroman-geschult, an der spannendsten Stelle abbricht - Die Piccolomini und Wallensteins Tod. Das dritte, und chronologisch gesehen erste Drama, Wallensteins Lager, in dem das anonyme Fußvolk heftig knittelnd die unmoralische Realität des Kriegs vorführt, hat, dramaturgisch gesehen, vor allem einen Zweck: die Spannung auf die Titelfigur ins Grenzenlose zu steigern. Zumal Schiller auch Akt eins der Piccolomini verstreichen lässt, ehe Wallenstein sich herablässt, die Bühne zu betreten, auf der er Stunden später einen "langen Schlaf" finden soll. Der Rest des spektakulären Dramas ist vor allem eines: Nicht-Handlung. Wallensteins vergrübeltes Hinauszögern der Entscheidung zum Wechsel des politischen Lagers. Eine Nicht-Handlung, die Raum gibt für die verschlungenen Fäden politischer Intrige, wie sie kein Blick hinter die Kulissen heutiger Regierungen aktueller treffen könnte. Moral ist keine Größe im Polit-Geschäft - nicht nur im Jahr 16 des 30-jährigen Krieges. Auch vor und nach Brechts Arturo Ui hat man den anderen dann "in meiner Tasche, wenn er etwas von mir in seiner hat". Wer den Wallenstein nicht nur lesen, sondern, in einer raren Entdeckung, auch hören mag, dem sei dringend die Hörbuch-Kassette der Edition Mnemosyne empfohlen, die auf der Basis der Inszenierung der Trilogie durch Leopold Lindtberg am Burgtheater 1959 entstand (4 CDs, 50-seitiges Booklet, € 35,-). In der Hauptrolle: Ewald Balser. Ein Muss. (cia/ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 07./08.05.2005)