Wien - Karl-Heinz Grasser denkt nach - und bereitet der Koalition damit wenig Freude. "Reiche und der gehobene Mittelstand brauchen keine Sozialleistungen wie Familienbeihilfe oder Kindergeld", befindet der Finanzminister prinzipiell im Schweizer Tagesanzeiger. An welche Einkommen er bei "reich" denkt, auf solche Details wollte sich Grasser Dienstag nicht einlassen und meinte nur, dass sein Ministerium Pläne erstelle.

Grasser ist ein Wiederholungstäter: Schon vor der Einführung des Kindergeldes wollte er (wie seine damalige FPÖ) nur "sozial Schwachen" die Gunst der Unterstützung zukommen lassen, die ÖVP war damals strikt dagegen und setzte sich durch, das Kindergeld "an alle" auszubezahlen.

"Wir konzentrieren uns auf Wachstum"

Dienstag blockte Kanzler Wolfgang Schüssel die Debatte energisch ab - durch Wiederholen des Satzes: "Wir konzentrieren uns auf Wachstum, Beschäftigung und Kampf gegen sozialen Missbrauch." Auch Vizekanzler Hubert Gorbach bereitet Grassers Nachdenken wenig Freude: "Wir sind derzeit nicht in solchen Budgetnöten, dass wir über Sparmaßnahmen nachdenken müssen", sagt er im STANDARD-Gespräch. Und: "Rigorose Streichungen für bestimmte Gruppen sind nicht sinnvoll."

Das sieht Alois Guger auch so. Der Wirtschaftsforscher saß im Jahr 2000 in der Expertengruppe, die den Sozialstaat auf seine "Treffsicherheit" durchforstet hat. Er hält Sozialleistungen auch für den Mittelstand für eine prinzipielle Frage des Zusammenhaltes der Gesellschaft: "Wer Besserverdienende ausschließt, bekommt armselige Leistungen für Arme." Außerdem sei "reich" relativ: "In Österreich sind viele Einkommen sehr intransparent, etwa Zinseinkommen oder Geerbtes." Guger ist aufgrund seiner Verteilungsstudien überzeugt, dass der Sozialstaat auf der Ausgabenseite funktioniere - "wenn, dann muss man über die Einnahmenseite nachdenken". Als Beispiel nennt Guger das Kindergeld, das von Angestellten zu Bauern und Selbstständigen umverteile.

SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter verlegte sich überhaupt aufs Ätzen: "Erstaunlich, was Grasser auf Capri so einfällt." (DER STANDARD, Printausgabe, 4.5.2005)