"Der Tag der Entscheidung naht", glaubt SP-Chef Alfred Gusenbauer. Und dann gebe es eine "glasklare Alternative, nämlich die Sozialdemokraten". Mehr als 100.000 Menschen am Rathausplatz sahen das mehr oder weniger ähnlich.

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Wien - Mehr als 100.000 Menschen waren über die Ringstraße marschiert und drängten sich am Rathausplatz. "Österreich hat sich Besseres verdient", erklärte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer auf der Tribüne - und forderte unter Applaus Neuwahlen. "Der Tag der Entscheidung naht." Das Einzige, was "Schüssel & Co" davon abhalte, zur Wahl zu schreiten, sei die "pure Angst" vor dem Votum der österreichischen Bevölkerung. "Aber egal, wann diese Wahl stattfinden wird, Österreich wird sich für die Sozialdemokratie entscheiden."

Gusenbauer sprach von einer "Zeitenwende": "Die Menschen haben genug davon, dass die Gewinne jeden Tag steigen und die Arbeitsplätze weniger werden." Auch hätten sie genug von denjenigen, die für eine solche Politik verantwortlich seien. Zum "völlig falschen Kurs" der Bundesregierung gebe es eine "glasklare Alternative", nämlich die Sozialdemokraten.

"Genug angetan"

Kämpferisch gab sich auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der sich am Rathausplatz direkt an Wolfgang Schüssel wandte: "Herr Bundeskanzler, Sie haben dem österreichischen Volk genug angetan." Häupl kritisierte den "tiefen Griff" in die Taschen der Arbeitnehmer. "Treten Sie zurück", forderte Häupl unter dem Jubel der Kundgebungsteilnehmer, "Herr Bundeskanzler, geben Sie den Weg frei für Neuwahlen. Lassen Sie das Volk sprechen."

Häupl verwies in seiner Rede auch auf die BZÖ-Gründung. Es sei leicht, über Farbenspiele zu spötteln, aber: "All jene, die unter der Politik leiden, die finden das überhaupt nicht witzig." Die österreichische Bundesregierung sei nicht die Lösung des Arbeitsmarktproblems, sondern "das Problem selbst". Investitionen seien zurückgenommen und Bildungsausgaben gekürzt worden, kritisierte Häupl und lobte Wien als Gegenmodell.

Einen Unterschied zwischen FPÖ und BZÖ wollte der Wiener SP-Chef und Bürgermeister nicht erkennen: "Der Unterschied zwischen Orange und Blau ist der Unterschied zwischen Kampl und Gudenus."

Einer der beiden Angesprochenen, der Wiener Bundesrat John Gudenus, meldete sich am Sonntag per Fax zu Wort. Und reagierte "zutiefst empört" auf den im Wiener Landtag verabschiedeten Vier-Parteien-Antrag, der ihn zum Mandatsverzicht auffordert. Dass auch seine früheren FPÖ-Kollegen zugestimmt haben, bezeichnete Gudenus als "unkameradschaftliches Vorgehen", das "würdelos" sei. Gudenus hatte vergangene Woche die FPÖ verlassen, nachdem er einmal mehr die Existenz von Gaskammern in der NS-Zeit infrage gestellt hatte.

Sein ehemaliger Parteichef, FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, nutzte die Kundgebung der Freiheitlichen zum 1. Mai dazu, laut über einen Ausstieg aus der Europäischen Union nachzudenken. Er forderte auch Verschärfungen bei den Arbeitslosenbestimmungen und die Abschaffung des Sozial- und Sport- Staatssekretariates.

Der Kärntner SPÖ-Chef Peter Ambrozy forderte in seiner Rede zum 1. Mai die Bundesregierung zum Rücktritt auf, damit "wieder Stabilität und Ordnung herrschen". In Kärnten, wo sich die SPÖ in einer Koalition mit den Freiheitlichen befindet, sieht Ambrozy allerdings keinen Grund für Neuwahlen. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 2.5.2005)