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Foto: Reuters/HEINZ-PETER BADER
Zuerst gab es Transparente, heftige Buhrufe und freundlichen Applaus. Einige Hundert Demonstranten waren direkt von den 1.-Mai-Feiern am Wiener Rathausplatz abgebogen zur Hofburg, wo im Redoutensaal punkt zwölf der "Reformdialog für Wirtschaft und Wachstum" begann. Einladender: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

"Warum tun Sie nichts, Herr Schüssel?", stand auf einem Transparent zu lesen, "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" auf einem anderen. Gewerkschaftschef Fritz Verzetnitsch, einer der rund 80 Gipfelteilnehmer, wurde mit Applaus empfangen, VP-Klubobmann Wilhelm Molterer hingegen musste sich Pfiffe der Demonstranten anhören.

Neue Arbeitsplätze werden gesucht

Einig waren sich die Gipfelteilnehmer, dass etwas geschehen muss gegen die weiter um sich greifende Arbeitslosigkeit. Im Monat März, für den die letzten verfügbaren Zahlen vorliegen, waren gut 267.000 Personen arbeitslos gemeldet; die Arbeitslosenquote, also die Anzahl der Arbeit Suchenden gemessen an den insgesamt Beschäftigten, ist im Jahresabstand um 0,4 Prozentpunkte auf 7,8 Prozent geklettert - der höchste Märzwert seit neun Jahren.

Bundeskanzler Schüssel versprach in seiner Eröffnungsrede eine Direktinvestition von einer Milliarde Euro, die in die Forschung fließen und dazu beitragen soll, dass viele neue Jobs entstehen. Gleichzeitig forderte er die Länder auf, dem Beispiel des Bundes zu folgen und ebenfalls Gelder für Forschung und Entwicklung bereitzustellen.

Mit der Forschungsanleihe soll die für 2010 angepeilte Forschungsquote von drei (heuer 2,35) Prozent zwischenfinanziert werden. Zudem sollen etwa 3000 Arbeitsplätze allein durch die beschleunigte Umsetzung von Energieprojekten, etwa Kraftwerksbauten, entstehen.

Beschleunigung

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein packte beim Gipfel ein Verfahrensbeschleunigungsgesetz für Bauprojekte aus. Dieses soll helfen, die Genehmigungsverfahren beim Kraftwerksausbau um bis zu einem Jahr zu beschleunigen. Von diesen Maßnahmen erwartet sich die Regierung in Summe etwa 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze.

Neue Jobs soll es auch durch forcierten Straßen- und Schienenausbau geben. "Wir müssen vor allem die Brücken nach Mittel- und Osteuropa stärken", sagte Schüssel.

Das Wirtschaftswachstum reiche nicht aus, um bestehende Arbeitsplätze zu halten, geschweige denn, viele neue Jobs zu schaffen, kritisierte Verzetnitsch. "Herr Bundeskanzler, ich verlange jetzt Aktivitäten", forderte der Gewerkschaftschef Schüssel auf. Dazu gehöre auch die Stärkung der Kaufkraft.

Verheugen mahnt zur sozialen Verantwortung

EU-Industriekommissar Günter Verheugen, der zusammen mit dem deutschen Wirtschaftsweisen Bert Rürup als Außenstehender die österreichische Arbeitsmarktdiskussion mitverfolgte, mahnte seinerseits die soziale Verantwortung der Wirtschaft ein. Diese sei durch das Zusammenwachsen der Welt - Stichwort Globalisierung - noch stärker geworden. Es sei zwar nicht daran gedacht, rechtliche Vorschriften gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen zu erlassen, Brüssel wolle aber "die Wirtschaft ermutigen, ihre Verantwortung wahrzunehmen." Verheugen: "Einen Lohnwettbewerb nach unten können wir nicht gewinnen."

SP-Chef Alfred Gusenbauer, der in der Hofburg mit dabei war, sprach von einem "absoluten Nullergebnis" des Arbeitsmarktgipfels. Die Regierung habe nichts Konkretes vorlegen können. "Das Ganze ist enttäuschend." (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.5.2005)