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Foto: apa
Manchmal, sagt Susanne G.*, da überkommt sie eine große Wut. Dann vergisst sie für Momente die Angst vor dem Gerichtsvollzieher, die Verzweiflung über Schuldenberg und Arbeitslosigkeit, die Depression über den nicht enden wollenden Scheidungsprozess und die Schuldgefühle, nicht besser für sich vorgesorgt zu haben. Die Wut gebe ihr Kraft, sagt die 51-Jährige, lasse sie aktiv werden.

In so einer Phase sei auch die Vision zum "Survival-Klub für WIP's - Women In Poverty" entstanden: "Das Prinzip ist einfach", sagt Susanne G. "Es soll eine Art Tauschbörse für Dienstleistungen sein, für Frauen, die in Armut leben, davon bedroht sind, oder sehr sparsam leben müssen, um zum Beispiel für später vorsorgen zu können." Jede Frau könne etwas einbringen - eine Fertigkeit, die eine andere brauchen, aber sich nicht leisten kann: "Ich bekomme nichts geschenkt, ich muss aber auch kein Geld haben, um mir zum Beispiel die Haare schneiden oder eine Hose ändern zu lassen. Dafür helfe ich zum Beispiel beim Zimmer ausmalen, passe auf Kinder auf, helfe bei Arbeiten am Computer oder repariere etwas. Ich zahle also mit meiner Zeit und meinen Fähigkeiten - das ist gut für das Selbstwertgefühl."

Armut kann jede/n treffen

Und ein starkes Selbstwertgefühl könne frau in Armut besonders gut brauchen, weiß Susanne G. aus eigener Erfahrung. Noch vor ein paar Jahren hätte sie nicht im Traum daran gedacht, einmal selbst davon betroffen zu sein. Heute weiß sie, dass Armut jede/n treffen kann - schneller als mann/frau denkt. 'Damals' ist sie fast zwanzig Jahre verheiratet, hat eine Tochter im Teenager-Alter, arbeitet Teilzeit im Sozialbereich, später in der Firma des Mannes, steckt Energie und Gehalt in die Familie. An die eigene Zukunftsvorsorge denkt sie damals nicht, "im Vertrauen, dass der Mann sich eh darum kümmert". Dann die Zerwürfnisse, Psychoterror, Scheidung, Arbeitslosigkeit. Das Scheidungsverfahren läuft seit drei Jahren, der Schuldenberg aus Anwalts- und Gerichtskosten, Miet- und Bankschulden ist erdrückend hoch. Die Angst, keine Arbeit mehr zu finden, ebenfalls. Dazu kam eine Krebserkrankung im letzten Jahr. Und der Gerichtsvollzieher kann jeden Tag an die Tür klopfen.

Raus aus der Isolation

"Die Angst macht mich manchmal fix und fertig", sagt Susanne G. Gerade in dieser belastenden Situation würden gesellschaftliche Treffen und kulturelle Aktivitäten gut tun: "Der 'Survival-Klub' kann Möglichkeiten bieten, kostenlos wieder etwas Positives mit anderen zu erleben, raus aus der Isolation zu kommen, die Scham, arm zu sein, abzulegen, Schuldgefühle zu überwinden, Angst und Lähmung in Aktivität umzuwandeln, sich etwas Gutes für die Gesundheit zu tun", sagt sie. "Vielleicht ist eine Frau dabei, die Meditation lehren kann, einen Tanzkurs gibt, eine Vorleserin, eine, die gerne mal für 20 Leute kocht, massieren kann; Frauen, die gerne Theater spielen, malen,...der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt."

Aus der Resignation "herauswurschteln"

Es soll eine Art "Netzwerken in Sachen Armutsbewältigung" sein, eine Unterstützung, um den Alltag besser managen zu können. "Dabei geht es sicher nicht darum, sich's in der Armutsfalle gemütlich einzurichten", sagt Susanne G., "sondern vielmehr darum, sich aus der Resignation und Hoffnungslosigkeit herauszuwurschteln, um wieder an die eigenen Ressourcen heranzukommen, wieder motiviert zu sein, die Kraft zu haben, Wege aus der Armut und eine neue Perspektive für das eigene Leben zu finden."

Aufbauhilfe erbeten

Noch ist der "Survival-Klub für WIP's - Women In Poverty" nur eine Vision; mit etwas Hilfe könnte er sich aber bald realisieren lassen, ist Susanne G. überzeugt: "Ich bin dankbar für jeden organisatorischen Tipp, für jede Mitarbeit, jede Idee und jeden Hinweis, wie sich so ein Projekt aufziehen lässt." Vor allem aber brauche es andere Frauen in Armut, die sich vorstellen könnten, an einer derartigen Initiative teilzunehmen: "Jede ist herzlich willkommen, das Netzwerk mit aufzubauen - ich bin sicher, dass es funktionieren kann." (isa)

* Name von der Redaktion geändert