Foto: Kathrein
Edelbrände gehören im Alpenraum mindestens ebenso zur Esskultur wie Wein. Daher griff der Standard diesmal zu Schnaps- statt zu Weinflaschen und testete angesichts der unaufhaltbar näher rückenden Saison Marillenbrände. Von Luzia Schrampf und Vene Maier.

Ein "Nasenbär" ist guter Marillenbrand sicher nicht. Hohe Qualität zeichnet sich durch ein eindeutiges, doch sehr dezentes Fruchtaroma aus. Je vordergründiger der Marillenduft, manche assoziieren dazu die Künstlichkeit der Pfirsichhaarshampoos aus den 70er-Jahren, desto größer der Verdacht, dass dem Brand aromamäßig auf die Sprünge geholfen wurde. Fehler in der Herstellung schlagen sich ebenfalls gnadenlos im Geruch nieder: Ölig wirkende, "verwaschene" Fruchtaromen, muffige oder faulige Noten deuten auf unreife bzw. nicht völlig einwandfreie Früchte beim Einmaischen hin. Bei einem ausgeprägten Bittermandelton hat man sich das Entkernen erspart. Manche Brenner verpassen ihrem Marillenbrand aber gerade dadurch mehr Komplexität, indem sie eine geringe Menge an Kernen mitverarbeiten, die eine leichte, an die Mandelartigkeit von Marzipan erinnernde Note ergeben. Wie STANDARD-Kollegin Christa Fuchs berichtet, hat ihre Großmutter auch in Marillenmarmeladen einige wenige zerkleinerte Kerne mitverarbeitet, um der Marmelade "den gewissen Kick" zu verpassen.

Brand vs. Geist

"Österreichischer Qualitätsbrand" auf dem Etikett bezeichnet ein aus 100 Prozent Früchten gewonnenes Destillat. Durch Vergären von Früchten bzw. das Destillieren des Mostes derselben wird der höchstwertige Brand gewonnen. Für einen "Geist" wird die Flüssigkeit destilliert, in der das nicht vergorene Obst mazeriert (eingeweicht) wurde. In guten Fällen werden reife Früchte mit reinem Alkohol kombiniert und ohne weitere Aromatisierung und/ oder Aufbesserung mit Zucker oder anderen Zusätzen hergestellt. Junger Schnaps kann noch etwas "scharf" wirken, harmonisiert sich aber mit der Lagerung. Jahrgangsangaben sind bei Oberligabränden üblich, weil es bei Marillen wie bei Wein Unterschiede zwischen den Jahrgängen gibt. 2003 und 2004 gelten als sehr gute Jahre. Grundsätzlich muss die Blüte einigermaßen reibungslos ablaufen, kein Frost.

"Ungarische Beste", auch "Klosterneuburger" genannt, ist die Destillatmarille schlechthin. Diese Sorte ist so gut wie flächendeckend in der Wachau, der österreichischen Marillenregion Nummer eins, zu finden, die übrigens über eine EU-geschützte Ursprungsbezeichnung - Wachauer Marille - verfügt. Die Marille, die zu den Rosengewächsen (Rosaceae) gehört und ursprünglich in China beheimatet war, gilt im Vergleich zu Äpfeln oder Birnen als "pflegeleicht". Sie mag es warm, verträgt Trockenheit sehr gut und bildet umso intensivere Aromen, je deutlicher die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht während der Reifezeit sind. Im Gegensatz zu anderem Obst reift die Marille nach dem Abnehmen nicht nach. Für Aroma und perfekte Süße sollte sie daher vollreif geerntet werden. In Österreich hat sie im Juli und August Hochsaison, zu anderen Jahreszeiten wird aus Spanien, Frankreich und v.a. aus der Türkei importiert.

Bilanz & Testverlauf

Verkostet wurden insgesamt 27 Marillenbrände vom Edelerzeuger bis zum Diskonterbrand. Aus Platzgründen werden nur die vorderen 13 Wertungen angeführt. Es gab keine Überraschungen. Wenn hohe Qualität erwünscht ist, zahlt es sich aus, tiefer in die Tasche und zu einem handwerklich gefertigten Produkt zu greifen. Industrielle Brände erreichten in der Verkostung bestenfalls die Wertung "akzeptabel", führten aber keineswegs zu degustatorischen Höhenflügen. Die Bewertung wurde, so gut es ging, blind durchgeführt, da sich mehrere Produkte durch extravagante Flaschenformen auszeichneten. Bewertet wurde ausnahmsweise nach dem 20-Punkte-System. Zehntel und Hundertstel wurden auf halbe und Viertelpunkte gerundet, daher die Ex-aequo-Wertungen.


Die Wertung

1. Marille 2003, Brennerei Holzapfel, Joching, NÖ, www.holzapfel.cc; 37,10 €/0,5 l Kleine, aber klassische Sortenpalette und das mit verlässlicher Qualität; zum Haus gehören ein Weingut und ein Restaurant. Klare Frucht, reintönig und frisch, schmeckt nach reifen Marillen, leicht pikant, feine Würze, fruchtige Süße; im Abgang druckvoll und lang. 18,25

ex aequo Marille 2003, Rochelt, Fritzens, T, www.rochelt.com 75 € (incl. Pfand 4 €)/0,35 l Bekannt für den kraftvollen Stil, immer mehr als 50 Prozent Alkohol, und für die variierenden Flaschenverschlüsse. Dezente Aromatik, aber konzentrierte, kräftige Frucht und volle Kraft am Gaumen; intensiv, dicht und komplex; sehr wuchtig und druckvoll im Abgang. 18,25

2. Marillenbrand 2004, Krenn, Yspertal, NÖ, www.wirtshausbrennerei.at 27 €-/0,35 l
Pflegt Birnensorten wie die Kaiserholz-, Honig- und Kletzenbirne. Klare, helle Nase, frühlingsfrisch, Duft nach Blüten mit feiner Zitrusnote, am Gaumen konzentriert, schöner Körper, harmonisch & saftig, weich und reif im Abgang. 18

3. Marille 2004 (Ballonprobe) Wetter, Sigmundsherberg, NÖ, www.wetter-brennerei.at 32 €/ 0,35 l Obstbaubetrieb, in dem auch naturtrübe Apfel- und Birnensäfte erzeugt werden. Jung & fesch, zart, vornehm, saftig; reife Marillennote; aber auch leicht bissig und unrund (Jugend!); charaktervoll, am Ende viel Druck. 17,75

4. Marillenbrand Reserve 2000, Guglhof, Hallein, Sbg., www.guglhof.at 40,60 €/0,7 l Eine der ältesten Brennerei Österreichs, deren Schnäpse immer drei, vier Jahre gelagert werden, bevor sie auf den Markt kommen. Weich und voll, erinnert an Rosen; saftige Marille, harmonisch, viel Finesse. 17,5

ex aequo Marillenbrand Mugen 2003, Hotzy, Hadersdorf am Kamp, NÖ, www.members.aon.at/ turmhof/turmhof/ 24 €/0,35 l Marillenguru aus dem Kamptal, der für einen Liter seiner Edellinie "Selection" etwa 40 Kilo Früchte verarbeitet (normal 15 bis 20 kg). Etwas mostiger Ton zu Beginn, rasch besser an der Luft, kräuterwürzig, schöne Frucht am Gaumen, je länger, desto deutlicher und klarer; saftiger Körper, gute Länge, reife Marille im Abgang 17,5

ex aequo Marille 2002, Reisetbauer, OÖ, www.reisetbauer.at Preis 28 €/0,35 l (Vinothek St. Stephan) Experimentierfreudiger Oberösterreicher, der unter anderem auch Ingwer-Edelbrand und Whisky herstellt. Zu Beginn neutral, leicht "schnapsig"; Zuckerlton; aber geschmeidiges & saftiges Gefühl im Mund, fein-würzig, kräftig und harmonisch, gute Länge. 17,5

5. Marillenbrand Classic, Hochstrasser, Mooskirchen, Stmk, www.schnaps.at, 13,50 €/0,35 l Großbrennerei, die aber regelmäßig für Überraschungen sorgt; klassische Frucht, intensiv duftig und füllig; weiches Gefühl im Mund, gute Balance zwischen den Komponenten, gute Länge und Potenzial. 17

ex aequo Marille 2004, Gölles, Riegersburg, Stmk., www.goelles.at, 27 €/0,35 l Essig-, Likör-und Edelbranderzeuger, der auch fassgelagerte Brände herstellt. Leicht grasig und kräuterwürzig zu Beginn, verdeckte Frucht; am Gaumen markant und fruchtig; schöner Körper; vollmundig; stoffig im Abgang. Sehr jung, aber viel Potenzial. 17

ex aequo Marille 2004, Wilhelm, Puch/Weiz, Stmk, www.wilhelm.at, 13,50 €/0,35 l 17 ha Obstplantagen u. a. mit unterschiedlichen Apfel- und Birnensorten. Duftig, intensive, fast üppige Frucht, ausgeprägt und würzig, schöne Textur; reif, gute Länge. 17

6. Marille 2004, Wurm & Wurm, St. Florian, OÖ, www.wurm-wurm.at, 22 €/0,35 l Experimentierfreudiger Erzeuger, der fast nur ab Hof vermarktet. Würzig, fruchtig-frisch, duftig und rauchig; noch jugendlich-kantig, schönes Potenzial. 16,5

ex aequo Marillenbrand Bio 2004, Pirker, Mariazell, Stmk, www.mariazell.at/wirtschaft/pirker 27,60 €/0,35 l In der Großmanufaktur werden außerdem Lebkuchen und Honig hergestellt. Geruch erinnert leicht an Birnen, alkoholisch; saftig am Gaumen, leicht befremdlich im Abgang, süß und kantig gleichzeitig 16,5

ex aequo Marille Classic 2004 Wieser, Wösendorf, NÖ, www.destillerie-wieser.at, 15 €/0,35 l Stellt vor allem Marillen, und Tresterbrände her. Klassisch, frisch, duftige Eleganz, leichtfüßig; detto am Gaumen, aber leicht grünlich-pfeffrig, etwas wenig Druck. 16,5

Special Thanks an Hersteller und Wein & Co, die Proben zur Verfügung stellten und an die Verkoster: Vene Maier, dessen Buch "Große Schnäpse" kürzlich im Falter-Verlag erschienen ist, Hans Staud, Inhaber von Staud's Konfitüren- und Gemüsedelikatessen, und Hermann Botolen, Restaurantleiter, Elisabeth Taudes, stv. Restaurantleiterin und Didier El Senosy, Mitarbeiter, alle drei Meinl am Graben, wo die Verkostung durchgeführt wurde.
18 & mehr Spitzenprodukt, 16-18 sehr gut, 14-16 gut, 12-14 akzeptabel, rustikal 10-12 bedingt akzeptabel
(DER STANDARD, Printausgabe vom 29.4/1.5.2005)