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Freitagvormittag in Bagdad: Eine Bombe - eine von sieben an diesem Tag - explodiert, Polizisten suchen Schutz, so gut sie können.

Foto: Reuters/Jasim
Nicht nur die internationalen Reaktionen auf die neue irakische Regierung waren teilweise sarkastisch, auch die arabischen Sunniten zeigen sich enttäuscht. Man wartet auf die Nachbesetzungen.

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Bagdad/Wien – Der Tag nach der Regierungsbildung im Irak war einer der Gewalt, aber auch der bitteren Kommentare über das neue Kabinett. Bei einer offenbar koordinierten Anschlagsserie in Bagdad mit zehn Explosionen wurden mehr als zwanzig Menschen getötet und Dutzende verletzt.

In einer Internet-Botschaft meldete sich der mutmaßliche Führer der Kaida im Irak, Musab al-Zarkawi, zu Wort und rief zu Anschlägen auf. Allerdings ist in dem Tonband auch eine Passage zu vernehmen, die so interpretiert werden könnte, dass die Terroristengruppen abbröckeln: "Sie haben einigen schwachen, besiegten falschen Elementen, die mit dem Widerstand verbunden waren, angeboten, die Basis der irakischen Armee in den sunnitischen Gebieten zu bilden, um gegen die Gotteskrieger zu kämpfen", sagte Zarkawi.

Am Donnerstag hatte Premier Ibrahim al-Jafari die neue irakische Regierung, in der aber noch nicht alle Posten besetzt sind, vorgestellt. Die arabisch-sunnitischen Reaktionen sind enttäuscht: Der jetzige Vizepräsident und vorige Präsident Ghazi al-Yawir beklagte den konfessionell-ethnischen Charakter des Kabinetts. Ein Verwandter von Yawir, wie dieser Mitglied des mächtigen Shammar-Stammes, war zuvor aus Protest aus der siegreichen Schiiten-Liste ausgetreten (auf der er sich aufstellen hatte lassen, obwohl er sunnitisch ist).

Unter den Schiiten hat sich der Streit ums Ölministerium verschärft, das dem früheren US-Verbündeten Ahmed Chalabi interimistisch zugesprochen wurde. Es wurde von einer extremen schiitischen Gruppe, der Fadila, beansprucht, die sich nun ebenfalls von Jafari distanziert. Die Bestellung Chalabis wurde aber sogar in den USA kritisiert: Für viele Iraker sei das, als habe man "den Bock zum Gärtner gemacht", sagte Anthony Cordesman vom CSIS (Center for Strategic and International Studies).

Brisant ist auch die Besetzung des Innenministeriums mit Bayan Sulagh Jabr von der Schiitenpartei Sciri (Supreme Council for Islamic Revolution in Iraq). Die Sciri hat auch einen militärischen Arm, die Badr-Milizen, die das Amt für sich beansprucht hatten. Jabr steht irgendwie dazwischen. Der Nahost-Historiker Juan Cole (Michigan University) bezeichnet Jabr als schiitisch- islamischen "Alt-Revolutionär, der den paramilitärischen Aktionen der Sciri immer zutiefst verbunden war".

Für manche Sunniten und säkulare Iraker ist die Besetzung des Innenministeriums, das die Geheimdienste kontrolliert, durch einen Mann wie Jabr eher beunruhigend. Zum Ausgleich sollte das Verteidigungsministerium an einen Sunniten gehen, nun verwaltet es Premier Jafari. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.4./1.5.2005)