Wien - Das Scheinunternehmertum erlebt seit der EU-Osterweiterung einen regelrechten Boom. Allein in Wien gab es seit dem 1. Mai 2004 im Baunebengewerbe über 3.000 Neugründungen. Mit dem verschärften Sozialbetrugsgesetz und vermehrten Kontrollen ist das Problem offenbar nicht in den Grifft zu bekommen.

Die Wirtschaftskammer plädiert nun für eine schrittweise Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes. WKÖ-Generalsekretär Reinhold Mitterlehner (V) erhofft sich dadurch eine Entkriminalisierung des "grauen Arbeitsmarkts".

Schlupfloch

Das neue Phänomen Scheinselbstständige ist auf ein Schlupfloch in der siebenjährigen Übergangsfrist für den Dienstleistungs- und Arbeitsmarkt, die im Zuge der EU-Erweiterung eigentlich zum Schutz des heimischen Arbeitsmarktes vereinbart wurde, zurückzuführen.

Durch die Dienstleistungsfreiheit für Unternehmer sind Selbstständige davon ausgenommen. So suchen nun viele Arbeitnehmer aus dem Osten in Österreich um eine Gewerbeberechtigung an und treten dann als Subunternehmer auf.

"Arbeitnehmer selbst nicht kriminell"

"Die Arbeitnehmer selbst sind jedoch nicht als kriminell zu sehen. Sie werden im eigenen Land abgeworben. Organisiert wird das Ganze von Österreich aus", betonte Mitterlehner bei einem Pressegespräch Mittwochabend in Wien.

Ein Beleg dafür, dass diese Missstände von langer Hand organisiert werden, sei die Tatsache, dass der Markt nach Staatszugehörigkeit aufgeteilt sei. "Im Bereich Verspachtelungsarbeit sind hauptsächlich Polen beschäftigt, im Stahlbau hingegen Arbeiter aus den ehemaligen Jugoslawien", erklärte Mitterlehner.

Jüngstes Beispiel: Die KIAB (Kontrollstelle für illegale Ausländerbeschäftigung des Finanzministeriums) ist auf eine Wiener Adresse gestoßen an der mehr als 100 Personen als Einzelunternehmer mit Gewerbestandort und Wohnsitz gemeldet waren. Verschärft wird das Problem dadurch, dass viele der Scheinselbstständigen im eigenen Land Arbeitslosengeld beziehen.

Milliardenschaden für Baubranche

"Daher ist etwa Tschechien an einer bilateralen Zusammenarbeit interessiert", so Mitterlehner. Die Zahl der Scheinselbstständigen schätzt die WKÖ österreichweit auf 8.000 bis 10.000. Der Schaden für die Baubranche allein liege etwa bei einer Milliarde Euro in Jahr.

Scheinselbstständigkeit beschränke sich jedoch nicht allein auf das Baugewerbe und auch nicht auf Österreich. Auch Deutschland hat mit der Umgehung des Ausländerbeschäftigungsrechtes, die sich mittlerweile auf das Transportwesen sowie den Pflege- und Reinigungsbereich ausweitet, zu kämpfen.

Das Problem im Gastgewerbe bleibe hingegen weiterhin die Schwarzarbeit, die sich prozentuell nicht wesentlich verändert habe. 2003 wurden bei 20.000 Kontrollen rund 5.500 illegal Beschäftigte aufgegriffen, 2004 waren es bei 22.000 Kontrollen 6.200. Im ersten Quartal 2005 waren von 2.254 kontrollierten EU-Bürgern (insgesamt 13.550 Kontrollen) 1.803 illegal beschäftigt.

"Überprüfung der Übergangsfristen"

Die Wirtschaftskammer tritt weiters für eine "Überprüfung der Übergangsfristen" ein. "Mit einer schrittweise, aber nicht schrankenlosen, Öffnung des Arbeitsmarkes würden Arbeitnehmer regulär beschäftigt und so die Scheinselbstständigkeit sowie die Schwarzarbeit eingedämmt.

Legale Beschäftigung bedeute auch gleichzeitig Einnahmen für den Staat." Gefordert werden auch bilaterale Beschäftigungsabkommen mit den neuen Mitgliedsstaaten. Die Scheinselbstständigkeit dürfte auch beim Reformdialog am 1. Mai zur Sprache kommen.

Der WKÖ-Generalsekretär betonte schließlich, dass die Wirtschaft der EU-Osterweiterung durchaus positiv gegenüber stehe und Österreich davon profitiert habe. "Wir haben unsere Position als größter Investor in fast allen Staaten ausbauen können", so Mitterlehner. (APA)