Michael Howard (l) und Tony Blair (r) im "Dogwhistle" Wahlkampf

Foto: AP7MATT DUNHAM
"Hundepfeifen-Strategie" nennt Wahlkampfmanager Lynton Crosby die Methode, mit der die britischen Konservativen bei den Unterhauswahlen am 5. Mai die seit 1997 dominierende Labour Party Tony Blairs besiegen wollen. So, wie man mit den extrem hohen Tönen der "dog whistle" einen Hund zurückpfeift, ohne dass sonst jemand etwas hört, sollen für Boulevard-Botschaften empfängliche Wähler ins Lager der Konservativen geholt werden, ohne andere, liberaler denkende abzuschrecken. Die Melodie ist simpel, die ständig wiederholte Forderung nach "kontrollierter Einwanderung" soll um ihre Jobs bangende Arbeiter in den Städten und Industrieregionen anlocken. "Es ist nicht rassistisch, über Immigration zu reden", plakatieren die Tories. "Are you thinking what we're thinking", heißt ihr Wahlslogan - "Denken Sie das gleiche wie wir?"

Vier Wahlsiege hat Crosby (48) in seiner Heimat Australien den dortigen Rechtsliberalen beschert. Und auch Michael Howard (64), in den 90er-Jahren Innenminister der glücklosen Regierung John Majors, hat er in einen dynamischen Spitzenkandidaten der Tories verwandelt, der die simple Botschaft eloquent vertritt.

Rein professionell betrachtet, bescheinigt auch der kritische Economist den Konservativen den besten Wahlkampf seit Jahren. Dennoch kommt die große Oppositionspartei in den Umfragen seit Wochen nicht über 32 Prozent der Stimmen hinaus. Tony Blairs New Labour liegt bei den Meinungsforschern weiterhin zwischen 37 und 39 Prozent (Wahlergebnis 2001: 40,7 Prozent). Selbst wenn die Labour Party in rund 70 "gefährdeten" Wahlkreisen verliert, wo ihr Kandidat zuletzt nur knapp voranlag, könnte sie mit einer von 160 auf etwa 90 Sitze reduzierten Parlamentsmehrheit weiter regieren (siehe nebenstehende Grafik).

Seit vergangenem Wochenende schlägt Blair (51) dennoch heftig zurück. Howard würde "bewusst die Ängste der Menschen ausbeuten", sagte der Labour-Chef. Dessen Hauptargument ist die relativ gute Lage der Wirtschaft, die nach 3,1 Prozent im vorigen Jahr heuer um 2,5 Prozent wachsen soll. Die Arbeitslosenquote liegt mit 4,8 Prozent auf ähnlichem Niveau wie in Österreich (Deutschland: zwölf Prozent). Als Vater dieses Erfolgs gilt Finanzminister Gordon Brown (54), der Blair in der nächsten Parlamentsperiode als Premier nachfolgen soll. Da keine der großen Parteien direkte Staatseingriffe in die Wirtschaft fordert, kann die Opposition auch Rückschläge wie die Rover-Pleite nicht für sich ausnützen.

Denkzettel für den Irakkrieg

Die Beteiligung am Irakkrieg, die Blair gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit durchzog, hat ihm viel an persönlicher Popularität gekostet. Die Konservativen, die im Parlament selbst zugestimmt haben, bezeichnen den Labour-Chef, der mit nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen argumentiert hatte, nun als Lügner, dem man nicht trauen könne.

Unter den Parlamentsparteien traten einzig die Liberaldemokraten geschlossen gegen den Irakkrieg auf. Ihr Chef, der Schotte Charles Kennedy (46), verurteilt nun täglich das Irak-Abenteuer und fordert den Abzug der 9000 britischen Soldaten bis zum Jahresende. Mit Umfragewerten um die 23 Prozent stehen die Lib Dems nach eigenem Bekunden heuer so gut da wie schon seit Jahrzehnten nicht.

Im linksliberalen Guardian warnte die Starkolumnistin Polly Toynbee von Blair enttäuschte Labour-Wähler aus der Mittelschicht am Mittwoch davor, diesmal für die Liberaldemokraten zu stimmen. Nur Labour garantiere eine soziale Politik für ärmere Bevölkerungsschichten. Stimmen für die Liberalen würden nur die Tories zurück an die Macht bringen, die insgeheim den Staat nach Thatcher-Art noch weiter zurückbauen wollten. "Halten Sie sich die Nase zu und stimmen Sie für Blair", fordert Toynbee ihre Leser seit Wochen auf. (DER STANDARD, Print, 28.4.2005)