Größer könnten die Unterschiede zwischen dem neuen und dem alten tschechischen Regierungschef nicht sein: Während der am Montag zurückgetretene 34-jährige Stanislav Gross in den letzten Jahren in Designeranzügen und mit einer Art politischen Beliebigkeit, die an den frühen Gerhard Schröder erinnerte, die Beliebtheitsskala hochstürmte, verkörpert der fast zwanzig Jahre ältere Jirí Paroubek, der nun als neuer Premier die Nachfolge Gross' antritt, das genaue Gegenteil.

Fast könnte man meinen, Gross würde für ein modernes Gesicht der tschechischen Sozialdemokraten (CSSD), Paroubek hingegen für ein traditionelles stehen. Aber so einfach ist das nicht. Als die traditionsreiche Partei im Frühjahr 1990 wiedergegründet wurde, wusste niemand so recht, was es bedeutet, sozialdemokratisch zu sein.

Dennoch kann sich der neue tschechische Regierungschef zugute halten, damals nach der Wende als einer der Ersten dabei gewesen zu sein und auch einen gewissen Stanislav Gross mitgebracht zu haben. An diese Zeit des Aufbruchs, so hat man das Gefühl, erinnert sich Paroubek gerne zurück. Schließlich brachte er es zum ersten sozialdemokratischen Zentralsekretär und knüpfte wichtige Kontakte zu den Schwesterparteien in Österreich und Deutschland.

Doch bald wurden bei der CSSD andere Töne angeschlagen. Milos Zeman wurde Vorsitzender und legte die Sechs-Prozent-Partei auf einen strammen Oppositionskurs fest. Paroubek wurde zu einem der ersten parteiinternen Kritiker Zemans, als er dessen populistische Rhetorik und politischen Stil anzuprangern begann. Die von Paroubek gegründete "Willy Brandt und Bruno Kreisky Gesellschaft" entwickelte sich später zu einer Zeman-kritischen Denkwerkstatt.

Der Bannstrahl Zemans verfolgte Jirí Paroubek auf Schritt und Tritt und war sicherlich auch der Grund dafür, warum er so lange gebraucht hat, um den Sprung in die so genannte "große Politik" zu schaffen. Erst nach den Prager Kommunalwahlen vom Herbst 1998, als Intimfeind Zeman bereits Premier war, schmiedete Paroubek geschickt eine große Koalition zwischen der CSSD und den Rechtsliberalen.

Das brachte ihm den Posten des Finanzstadtrats und stellvertretenden Prager Bürgermeisters ein. Ins Kabinett ist der neue tschechische Premier erst im vergangenen Sommer aufgerückt, als er das Wohnbauressort übernahm.

Vor der Wende war der studierte Betriebswirt Paroubek in der Vorstandsetage des Unternehmens Prager Gaststätten und Restaurants tätig, welches die gesamte Gastronomie Prags kontrollierte. Jirí Paroubek, der mit einer Französisch-Dolmetscherin verheiratet ist, gehört zur Spezies der fußballverliebten Politiker und ist Anhänger des Traditionsklubs Slavia Prag. (DER STANDARD, Robert Schuster, Printausgabe, 26.4.2005)