Und nun, in dieser Stunde, muss ich schwacher Diener Gottes diesen unerhörten Auftrag übernehmen, der doch alles menschliche Vermögen überschreitet. Wie sollte ich das? Wie kann ich das? Aber Ihr alle, liebe Freunde, habt nun die ganze Schar der Heiligen stellvertretend durch einige der großen Namen der Geschichte Gottes mit den Menschen herbeigerufen, und so darf auch ich wissen: Ich bin nicht allein. Ich brauche nicht allein zu tragen, was ich wahrhaftig allein nicht tragen könnte. Die Schar der Heiligen Gottes schützt und stützt und trägt mich. Und Euer Gebet, liebe Freunde, Eure Nachsicht, Eure Liebe, Euer Glaube und Euer Hoffen begleitet mich. ...
"Die Kirche lebt und trägt Zukunft der Welt in sich"
Ja, die Kirche lebt das ist die wunderbare Erfahrung dieser Tage. Durch alle Traurigkeit von Krankheit und Tod des Papstes hindurch ist uns dies auf wunderbare Weise sichtbar geworden: Die Kirche lebt. Und die Kirche ist jung. Sie trägt die Zukunft der Welt in sich und zeigt daher auch jedem einzelnen den Weg in die Zukunft. Die Kirche lebt wir sehen es, und wir spüren die Freude, die der Auferstandene den Seinen verheißen hat. Die Kirche lebt sie lebt, weil Christus lebt, weil er wirklich auferstanden ist. ...
Liebe Freunde! Ich brauche in dieser Stunde keine Art von Regierungsprogramm vorzulegen; einige Grundzüge dessen, was ich als meine Aufgabe ansehe, habe ich schon in meiner Botschaft vom Mittwoch, dem 20. April, vortragen können; andere Gelegenheiten werden folgen. Das eigentliche Regierungsprogramm aber ist, nicht meinen Willen zu tun, nicht meine Ideen durchzusetzen, sondern gemeinsam mit der ganzen Kirche auf Wort und Wille des Herrn zu lauschen und mich von ihm führen zu lassen, damit er selbst die Kirche führe in dieser Stunde unserer Geschichte. Statt eines Programms möchte ich einfach die beiden Zeichen auszulegen versuchen, mit denen die In-Dienst-Nahme für die Nachfolge des heiligen Petrus liturgisch dargestellt wird. ...
Die Menschheit ist das Lamm, "das der Hirt auf seine Schultern nimmt und zu den
Wassern des Lebens trägt" Das erste Zeichen ist das Pallium, ein Gewebe aus reiner Wolle,
das mir um die Schultern gelegt wird. Dieses uralte Zeichen, das die
Bischöfe von Rom seit dem 4. Jahrhundert tragen, mag zunächst einfach
ein Bild sein für das Joch Christi, das der Bischof dieser Stadt, der
Knecht der Knechte Gottes auf seine Schultern nimmt. ... Aber die
Symbolik des Palliums ist konkreter: Aus der Wolle von Lämmern
gewoben will es das verirrte Lamm oder auch das kranke und schwache
Lamm darstellen, das der Hirt auf seine Schultern nimmt und zu den
Wassern des Lebens trägt. Das Gleichnis vom verlorenen Schaf, dem der
Hirte in die Wüste nachgeht, war für die Kirchenväter ein Bild für
das Geheimnis Christi und der Kirche. Die Menschheit, wir alle, sind
das verlorene Schaf, das in der Wüste keinen Weg mehr findet. ... Das Pallium sagt uns zuallererst, dass wir alle von Christus
getragen werden. Aber er fordert uns zugleich auf, einander zu
tragen. So wird das Pallium zum Sinnbild für die Sendung des Hirten,
von der die zweite Lesung und das Evangelium sprechen. Den Hirten
muss die heilige Unruhe Christi beseelen, dem es nicht gleichgültig
ist, dass so viele Menschen in der Wüste leben. Und es gibt vielerlei
Arten von Wüsten. Es gibt die Wüste der Armut, die Wüste des Hungers
und des Durstes. Es gibt die Wüste der Verlassenheit, der Einsamkeit,
der zerstörten Liebe. Es gibt die Wüste des Gottesdunkels, der
Entleerung der Seelen, die nicht mehr um die Würde und um den Weg des
Menschen wissen. Die äußeren Wüsten wachsen in der Welt, weil die
inneren Wüsten so groß geworden sind. Deshalb dienen die Schätze der
Erde nicht mehr dem Aufbau von Gottes Garten, in dem alle leben
können, sondern dem Ausbau von Mächten der Zerstörung.. .. "Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe" "Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe. Sie ist das Zeichen
Gottes, der selbst die Liebe ist. Wie oft wünschten wir, dass Gott
sich stärker zeigen würde. Dass er dreinschlagen würde, das Böse
ausrotten und die bessere Welt schaffen. Alle Ideologien der Gewalt
rechtfertigen sich mit diesen Motiven: Es müsse auf solche Weise
zerstört werden, was dem Fortschritt und der Befreiung der Menschheit
entgegenstehe. Wir leiden unter der Geduld Gottes. Und doch brauchen
wir sie alle. Der Gott, der Lamm wurde, sagt es uns: Die Welt wird
durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreuziger erlöst. Die Welt
wird durch die Geduld Gottes erlöst und durch die Ungeduld der
Menschen verwüstet. Das zweite Zeichen, mit dem in der Liturgie dieses Tages die
Einsetzung in das Petrusamt dargestellt wird, ist die Übergabe des
Fischerrings. Die Berufung Petri zum Hirten, die wir im Evangelium
gehört haben, folgt auf die Geschichte von einem reichen Fischfang:
Nach einer Nacht, in der die Jünger erfolglos die Netze ausgeworfen
hatten, sahen sie den auferstanden Herrn am Ufer. Er befiehlt ihnen,
noch einmal auf Fang zu gehen, und nun wird das Netz so voll, dass
sie es nicht wieder einholen können: 153 große Fische. ... Und nun
folgt der Auftrag: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen
fischen. ... "Habt keine Angst vor Christus" Noch eins möchte ich hier anmerken: Sowohl beim Hirtenbild wie
beim Bild vom Fischer taucht der Ruf zur Einheit ganz nachdrücklich
auf. "Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind;
sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird
es nur eine Herde geben und einen Hirten" (Joh 10, 16), sagt Jesus am
Ende der Hirtenrede. Und das Wort von den 153 großen Fischen endet
mit der freudigen Feststellung: "Und obwohl es so viele waren,
zerriss das Netz nicht" (Joh 21, 11). Ach, lieber Herr, nun ist es
doch zerrissen, möchten wir klagend sagen. Aber nein klagen wir
nicht! Freuen wir uns über die Verheißung, die nicht trügt und tun
wir das Unsrige, auf der Spur der Verheißung zu gehen, der Einheit
entgegen. Erinnern wir bittend und bettelnd den Herrn daran: Ja,
Herr, gedenke deiner Zusage. Lass einen Hirten und eine Herde sein.
Lass dein Netz nicht zerreißen, und hilf uns Diener der Einheit zu
sein! ... So möchte ich heute mit großem Nachdruck und großer
Überzeugung aus der Erfahrung eines eigenen langen Lebens Euch, liebe
junge Menschen, sagen: Habt keine Angst vor Christus! Er nimmt
nichts, und er gibt alles. Wer sich ihm gibt, der erhält alles
hundertfach zurück. Ja, aprite, spalancate le porte a Cristo (öffnet,
reiß die Türen auf für Christus) - dann findet Ihr das wirkliche
Leben. Amen." (APA/dpa)