Hanoi - Der Fall von Saigon am 30. April 1975 setzte drei Jahrzehnten Guerillakrieg in Vietnam ein Ende. Erst hatte das - damals - 36-Millionen-Volk die französische Kolonialmacht vertrieben, dann die Vereinigten Staaten und damit die stärkste Streitmacht der Welt. Die Schätzungen über die Opfer schwanken: Zwischen zwei und vier Millionen Menschen sollen dabei ihr Leben verloren haben.

Am Anfang stand die Proklamation eines Staates: Kurz nach der Kapitulation Japans, am 2. September 1945, rief der kommunistische Partisanenführer Ho Chi Minh nach der Abdankung des Kaisers Bao Dai, der die Protektoratsverträge mit Frankreich aus dem 19. Jahrhundert gekündigt hatte, in Hanoi die unabhängige Demokratische Republik Vietnam aus. Frankreich entsandte 1946 Truppen - der Krieg begann. Die Niederlage der alten Kolonialmacht in der Schlacht von Dien Bien Phu sollte bitter werden.

"Bollwerk gegen den Kommunismus"

Eine internationale Indochina-Konferenz in Genf beschloss zwar im Juli 1954 die Teilung Vietnams entlang des 17. Breitengrads in zwei separate Staaten. Aber längst war das Land in den Strudel des Kalten Kriegs und damit in die Interessen der Weltmächte gerissen worden. Oberstes Ziel der USA war, in Saigon ein "Bollwerk gegen den Kommunismus" in Asien zu errichten. Moskau und Peking setzten auf das "Brudervolk" in Hanoi.

Washington rutschte immer tiefer in den Krieg. Diskret kamen CIA-Agenten und Militärberater nach Saigon. Gleichzeitig entstand die Nationale Befreiungsfront Südvietnams ("Vietcong"). Anfang der 60er Jahre verstärkte die Guerilla-Armee ihre Operationen. US-Präsident John F. Kennedy antwortete mit mehr als zehntausend Militärberatern.

Konstruierter Zwischenfall

Der erste Bombenregen aus amerikanischen Maschinen ging Ende 1964 auf Nordvietnam nieder. Den Anlass lieferte US-Präsident Lyndon B. Johnson der - wie sich später herausstellte, konstruierte - "Zwischenfall von Tongking" (Tonking): Angeblich war in dem Golf ein US-Zerstörer von nordvietnamesischen Patrouillenbooten beschossen worden. Am 8. März 1968 gingen erste amerikanische Einheiten nahe der Hafenstadt Da Nang an Land. Eine Kriegserklärung hatte es nie gegeben.

"Agent Orange"

Der Vietcong konnte sich auf die einfache Landbevölkerung stützen, und bald sahen die Amerikaner in jedem Südvietnamesen den Feind. Um dem Gegner die Deckung zu nehmen, versprühten US-Flugzeuge 72 Millionen Liter Entlaubungsmittel wie "Agent Orange" über dem Dschungel. Die Folge: Krebs und die Rate der Missgeburten stiegen dramatisch. Mehr als eine halbe Million US-Soldaten standen Ende der 60er Jahre in Vietnam, über 58.000 kamen ums Leben. Auf vietnamesischer Seite waren es mehr als zwei Millionen Opfer.

Nach fünf Jahren am Verhandlungstisch und weiteren massiven Bombardements unter US-Präsident Richard M. Nixon unterschrieben die USA und Nordvietnam am 27. Jänner 1973 in Paris einen Waffenstillstand, der keiner war. Für die Vereinigten Staaten bedeutete das Abkommen praktisch das Ende ihres Engagements. Aber erst 1975 setzte Hanoi zur entscheidenden Offensive an, die am 30. April mit der Einnahme von Saigon die Wiedervereinigung brachte. (APA/dpa)