Kaum ein Bereich des alltäglichen Lebens wird von den Errungenschaften moderner Technologie so konsequent verschont wie die Gegend um den Tellerrand. Zwar toben sich einige farben- und formenfrohe Designer in Sachen Geschirr und Besteck ganz gehörig aus und bescheren uns manch schwer verdaulichen Augenschmaus, doch unterm Strich wird die Suppe gelöffelt wie eh und je. Dass es auch anders und zwar ganz anders geht, zeigt das Projekt "Foodesign Guzzini Made in Germany".

Foto: Hersteller

Der 1912 gegründete Hersteller von alltäglichen, wohlgeformten Haushaltsgeräten lud 33 deutsche Designer ein, ihren ganz eigenen kulinarischen Blick auf Teller und Co zu werfen. Bereits im Vorjahr wurden in Mailand die ersten 88 Projekte zu diesem Thema vorgestellt. Mit von der Gestalterpartie in der zweiten Runde sind Formenkünstler, die bereits einiges von sich hören bzw. sehen ließen. Sie heißen unter anderem Konstantin Grcic, Vogt+Weizenegger, Sieger Design, frogdesign und Jan Armgardt.

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Die zum Teil skurrilen Objekte fördern ziemlich alternative Zugänge zu Tage und strafen alle jene Lügen, die meinen, der Deutschen Sinn für einen ästhetischen Zugang zum Kulinarischen ende bei Sauerkraut, Pfälzer Saumagen und Frittenbude. Aber um hier nicht um den heißen Brei herumzuschwätzen, soll als Erstes die Arbeit von Jungspund-Designerin Prisca Frey erwähnt sein. Sie thematisierte die jeweiligen Vorlieben für bestimmte Brotsorten und entschloss sich, Toast-, Knäcke- und sonstige Brotscheiben aus Porzellan zu formen, zu brennen und diese als Teller für kleinere Jausen zu verwenden.

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Was die Materialwahl betrifft weit weniger archaisch entschied sich das Duo von Sieger Design für ein tragbares Set aus Kunststoffgeschirr, das vor allem das Essen am Arbeitsplatz zur Sprache bringen soll: Das farbenfrohe Ensemble "Prêt à Porter" will Tischkultur auf den Schreibtisch zaubern und mittels Stapel- und Verschließbarkeit Geschirrberge besser in den Griff bekommen. So gehen Christian und Michael Sieger, der eine Betriebswirt, der andere Gestalter, besonders auf den Grundgedanken des Projekts ein, der die Koexistenz verschiedener Materialien sowie eine persönlichere, freiere Beziehung zum Essen beinhaltet. Ferner will man Genuss von örtlichen Gebundenheiten loslösen und über die Auffassung der Mahlzeit als bloße Ernährung hinausgehen.

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Ordentlich losgelöst vom gängigen Verfahren der Erzeugung mundgerechter Happen haben sich Hauke, das ist ein männlicher Vorname, Murken und Sven Hansen, die mit ihrem Besteck-Set "Electric Meal" auf den Spuren der elektrischen Zahnbürste wandeln. Das Hightech-Besteck besteht aus einem elektrischen Messer, welches, no na, das Schneiden erleichtern soll, sowie einer rotierenden Gabel, die vor allem die jüngsten Spaghetti-Fans beim Nudeldreh erheitern dürfte. Der Löffel, ganz ohne Mechanismen ausgestattet, verfügt über ein eingebautes Thermometer, das die wohl temperierte Suppe als solche erkennen lässt.

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Spaß muss sein, dachten sich auch Jan Armgardt und Ingo Bönnemann, die ihre Serviereinheit "Thermoflate" zum Projekt beisteuern. Das Objekt, dessen Oberfläche aus einem flexiblen Material auf Silikonbasis besteht, erhält seine jeweils funktionsgerechte Form erst, nachdem es mit Wasser befüllt ist, was je nach Temperatur auch der Kühlung bzw. Warmhaltung diverser Leckerbissen dient.

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Total ausgetobt haben sich für Guzzini die Designer Vogt+Weizenegger, deren "Food Tooth" letzten Endes jeden Koch den Broterwerb kosten würde. Der Tooth, seiner Zeit Gott sei Dank zu weit voraus, wird im Mundraum verankert und gibt mittels einer integrierten Pumpe auf individuelle Wünsche abgestimmte Nahrungsflüssigkeit ab. Vogt+Weizenegger legen Wert darauf zu erwähnen, dass man sich bei Verwendung ihres Tooth nicht wundern soll, wenn der Partner vom Küssen gar nicht genug bekommen kann. Mahlzeit!

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Nun weiß man ja spätestens seit der Lektüre des Suppenkaspars, dass Essen aber auch eine sehr ernste Sache sein kann. In diesem Sinne kommen Entwürfe wie zum Beispiel das "Bowl Set" von Nicola Sattmann daher, deren Schalen-Set mit aufsteckbaren Aufsätzen funktioniert und unterm Strich helfen soll, Geschirr zu sparen und Essen besser und weniger geruchsintensiv aufzubewahren.

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Freilich finden sich noch mehr praktische Haushaltshilfen im Potpourri von Guzzini. Die sind aber halt nicht so lustig wie der Brotsack von Astrid Ochsenreither, bei dem das Schneidebrett integriert ist, oder der "Quicnic/Tongue Bag" von Volker Albus, ein Papiersack, der sich neben seinem Talent als Behältnis gleich einer überdimensionalen Zunge zur Liegewiese ausrollen lässt.

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Ob es die eine oder andere Gerätschaft auch tatsächlich massenweise aufs Fließband von Guzzini schaffen kann, wird sich zeigen. Das Auge, das bekanntlich mitisst, würde sich über manche Neuerung in Sachen täglich Brot bestimmt freuen. Oder wie Eugenio Medagliani, Entrepreneur und Mitarbeiter der Zeitschrift A Tavola meint, ". . . zunächst sieht man, dann riecht man, zuletzt isst man: Food kommt als Letztes, das heißt, das Verzehren eines Gerichtes ist die letzte der drei Phasen, aus denen Essen besteht."
(Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/22/04/2005)

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