Es vergeht kaum ein Tag ohne aufgeflogene Schwindel, Korruptionsaffären, vollzogene oder öffentlich geforderte Rücktritte in der europäischen Politik. Die Kommunikationsrevolution und der Konkurrenzkampf der Medien sorgen dafür, dass Missstände nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden. Die Politiker stehen auf dem Prüfstand und wenn sie keine reine Weste haben, ist ihr Sturz unvermeidlich.

Die immer wieder prolongierte Regierungskrise in Prag ist eine unappetitliche Kettenreaktion, nachdem sich die regierenden Sozialdemokraten als unfähig erwiesen haben, ihren in eine undurchsichtige Immobilienaffäre verwickelten "Jungstar", Ministerpräsident Grosz, zu einem schnellen Rücktritt zu zwingen und die kleineren Koalitionsparteien wegen vermeintlicher taktischer Vorteile die Chance einer moralischen Flurbereinigung verspielt hatten. Nur die allgemeine Politikverdrossenheit und die enttäuschende Wirtschaftsbilanz können jeden fünften Bürger bewegen, sich für die ideologisch völlig versteinerte Partei der Kommunisten auszusprechen.

In Bayern handelten die CSU-Führung und namentlich Ministerpräsident Edmund Stoiber schneller. Die einst mächtige Tochter von Franz Joseph Strauss und zeitweilig sogar als mögliche Nachfolgerin von Stoiber betrachtete Kulturministerin Monika Hohlmeier musste dieser Tage wegen ihrer Verwicklung in eine innerparteiliche Stimmenmanipulation über die Klinge springen. Ihr Verschwinden bedeutet das symbolische Ende des einst mächtigsten Familienclans aus der deutschen Politik.

Anders liegen die Dinge in Italien. Dort hat Europas reichster Politiker, Ministerpräsident Silvio Berlusconi, mit einem Firmen- und Medienimperium im Wert von mehr als acht Milliarden Euro und mit fragwürdigen politischen Druckmitteln die Justiz bisher daran gehindert, gegen ihn wegen Bestechung ein rechtskräftiges Urteil durchzusetzen. Nach der jüngsten Niederlage bei den Regionalwahlen und den offen ausgetragenen Gegensätzen in seiner Koalitionsregierung zeichnet sich aber ein Ende der Berlusconi-Ära ab.

Die EU-Kommissionsmitglieder in Brüssel werden sogar noch schärfer unter die Lupe genommen als ihre Kollegen in den nationalstaatlichen Regierungen. So geriet dieser Tage Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Im vergangenen August absolvierte der damals bereits designierte Kommissionspräsident mit Ehefrau und drei Töchtern eine einwöchige Mittelmeerreise an Bord der Luxusyacht seines Jugendfreundes, eines griechischen Reeder-, Öl- und Bankenmilliardärs.

Die deutsche Tageszeitung "Die Welt", die auch Einzelheiten über die Geschäftsverbindungen zwischen Barrosos Freund und den von der Europabank (EBRD) finanzierten Balkanprojekten berichtete, bezifferte den Gegenwert dieser Yachteinladung auf 20.000 Euro.

Trotz Dementis der EU- Sprecherin, dass es sich um "freundschaftliche Beziehungen" seit 25 Jahren handelt, ist die Optik nicht gut. Dass an der Urlaubsreise ein ehemaliger Genfer Professor teilnahm, der kürzlich zum Berater der EU- Kommission berufen wurde, wirkt seltsam. Wie dem auch sei, müssen laut EU- Verhaltenskodex die Kommissare strenge Regeln einhalten und Geschenke im Wert von über 150 Euro sind für sie tabu.

Ob Handels-Kommissar Peter Mandelsons Neujahrsurlaub auf Einladung von "Freunden in der Karibik" verbracht wurde und ob über heikle handelspolitische Themen gesprochen wurde, war auch Teil der Diskussionen über den Umgang mit privaten Einladungen. Wo immer sie sind, bleiben die Politiker auf dem Prüfstand. (DER STANDARD, Print, 21.04.2005)