Zulehner: "Vielleicht ist er für eine Überraschung gut."

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Wien - "Josef Ratzinger steht dann sicher für Kontinuität und für Verschnaufpause." Das war am Dienstagabend der erste Kommentar des Pastoraltheologen Paul Zulehner zur Wahl des deutschen Kardinals Josef Ratzinger zum Papst. "Es gibt keinen Bruch. Er ist kein Newcomer", so Zulehner im ORF-Fernsehen. Die Kernfrage sei freilich nicht, wer das Amt des Papstes ausübe, sondern ob er so ausübe, dass es auch für Protestanten und Orthodoxe verlockend sein könnte, in ihm den Führer eines geeinten Christentums zu sehen.

Der verstorbene Papst habe die Theologen gebeten, sich über diese Frage Gedanken zu machen. Und Ratzinger sei ein Theologe, so Zulehner: "Vielleicht ist er für eine Überraschung gut." Offen aussprechen müsse man laut Zulehner auch, dass die Kür Ratzingers gemischte Gefühle nach sich bringen werde. Man werde "in den nächsten Tagen sehen, wie Freude und Besorgnis die Reaktionen prägen werden.

Bischöfe durch die Bank zufrieden

Durch die Bank zufrieden mit der Wahl von Joseph Ratzinger zum neuen Papst zeigten sich am Dienstag Abend naturgemäß die Österreichischen Bischöfe. Dass Ratzinger ein zu konservativer Papst sein könnte, glauben sie nicht. "Er ist kein Hardliner, aber ein Mann mit Prinzipien", meinte der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari. Kirchenexperten erwarten keine großen inhaltlichen Änderungen in der katholischen Kirche.

Kapellari: "Steht für Kontinuität"

Benedikt XVI. stehe für "Kontinuität, aber auch Sensibilität", meinte Kapellari, der auch stv. Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz ist. Auch Wiens Weihbischof Helmut Krätzl warnte davor, Ratzinger als konservativen Theologen abzuurteilen. Man müsse ihm eine Chance geben und "nicht gleich da oder dort so genannte 'heiße Eisen' wie Fragen der Sexualmoral oder die wiederverheirateten Geschiedenen" aufwärmen und den neuen Papst daran prüfen.

Der Linzer Diözesanbischofs Maximilian Aichern meinte: "Wenn er auch manchmal hart schien, so war er immer korrekt." In den Begegnungen sei er liebenswürdig und humorvoll. Ratzinger sei ein Mensch von "hoher Geistigkeit".

Überrascht über die Wahl Ratzingers zeigten sich der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer und Burgenlands Paul Iby. Scheuer bezeichnete den Nachfolger von Papst Johannes Paul II. als "exzellenten Theologen und hervorragenden Dogmatiker", der manchmal auch kritisch und kontrovers sei. Iby verwies darauf, dass Ratzinger als Erzbischof von München in vielen Fragen eine sehr fortschrittliche Meinung gehabt habe. "Ich bin neugierig, wie er jetzt als Papst hier neu Stellung beziehen wird."

Küng: "Ganz große Persönlichkeit"

Als "ganz große Persönlichkeit" lobte der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng Ratzinger. Er sei jemand, der "mit allen Fragen der heutigen Zeit in der ganzen Welt vertraut" sei. Vorarlbergs Benno Elbs werte die rasche Wahl Ratzingers als "Zeichen der Einheit des Kardinalskollegiums". Auch er glaubt, dass der neue Papst den Weg seines Vorgängers weiter gehen wird.

Salzburgs Erzbischof Alois Kothgasser erwartet sich indes "Impulse für unsere katholische Kirche". Ratzingers Alter (78) ist für ihn sicher kein Hindernis. Auch Papst Johannes XXIII. sei bereits 77 Jahre alt gewesen, meinte er. Für seinen Kärntner Kollegen Alois Schwarz ist der "Heilige Vater ein Mann mit großem Gespür für gesellschaftspolitische Themen". Er sei weltweit bekannt als "starker Verkünder des Glaubens".

Caritas-Präsident Franz Küberl meinte, auf Ratzinger würden nun "große inner- und weltkirchliche Aufgaben warten". "Die katholische Kirche sei der größte Global Player der Welt. "Die ungeheure Armut, der Hunger und die Ausbeutung sind ein Skandal. Es gibt hier eine riesige Erwartung in den Ländern des Südens. Der neue Papst wird mithelfen müssen, den vielen Millionen Ausgestoßenen zu helfen", so Küberl.

Evangelisch-lutherischer Bischof "enttäuscht"

"Enttäuscht" zeigte sich indes der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm. In der Wahl Ratzingers sieht er "nicht den Aufbruch, den viele erhofft haben", sondern die "Fortführung des uns bei ihm bekannten Kurses, die römisch-katholischen Dogmen festzuschreiben und deutliche Grenzen nach außen zu ziehen".

Ex-Chef von "Wir sind Kirche" erwartet keine inhaltlichen Änderungen

Keine Änderungen in den Inhalten, aber neue Akzente bei den Strukturen der katholischen Kirche erwartet Hubert Feichtlbauer, katholischer Publizist und früherer Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche". "Er wird sicherlich nicht alle mit Riesenfreude erfüllen, aber es ist eine Tatsache, dass jeder neue Papst gewisse Zeichen setzt." (APA/red)