Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Echo-Verlag
Es war schon letzte Woche. Da ist G. über eine Meldung gestolpert, die die Kollegen von orf.on in den oberösterreichischen Nachrichten gefunden haben. Und weil er meinte, die Geschichte passe ganz gut in die hiesige Kleinserie über fröhliche Scharmützel zwischen Briefträgern und Briefempfängern, hat G. die Geschichte weiter geschickt.

Kommentarlos zwar – aber vermutlich möchte G. aufzeigen, dass es den Postkunden mitunter in ein existenzielles Dilemma bringen kann, wenn er den oft verschlüsselten, aber eben doch zu dechiffrierenden Botschaften der Zusteller folgen will: Das konsequente Zustellen von anderswohin adressierter Post an die eigene Adresse oder das Zurücksenden von korrekt adressierten Sendungen mit dem Vermerk „verzogen“ als Übersiedlungsaufforderung zu interpretieren (und eventuell zu befolgen) gehört da noch zu den harmloseren Übungen.

Postalisch tot erklärt

Aber: Was tun, wenn die Post einen für tot erklärt? Und – und hier setzt die von G. gefundene Geschichte an – was tut einer, den die Post für tot erklärt, wenn andere (nebenbei: postnahe) Unternehmen darauf auch noch so reagieren, wie es ihnen der Briefträger befiehlt?

Denn genau das widerfuhr in der von G. vergangenen Donnerstag entdeckten Geschichte einem Pensionisten in Oberösterreich. Als sein Telefon eines Tages nicht mehr funktionierte, griff der quicklebendige 66 jährige Mann aus Wels zum Handy und wandte sich an die Störungsstelle der Telekom: Sein Telefon, erfuhr der Mann dort, sei nicht gestört – aber er tot. Mausetot. Und – nein – es genüge nicht, sich telephonisch für lebendig zu erklären.

Untot

Weil da ja jeder daherkommen könne. Und am Telefon zu behaupten, man sei einer, der in Wirklichkeit tot sei, wäre auch ganz leicht. (Nebenbei: Ob sich der Callcentermensch auf Diskussionen über Stimmen aus dem Jenseits, Medien und andere Paranormalitäten einließ, ging aus dem veröffentlichten Material leider nicht hervor.) In jedem Fall, erfuhr der Pensionist, läge es an ihm, den Beweis für sein Nicht-Ableben zu führen: Die Post im Allgemeinen und der Briefträger im besonderen würde ja wohl nicht ohne Grund eine Telekom-Rechnung mit dem Vermerk „verstorben“ zurückschicken.

Immerhin musste der Untote nicht zum Amtsarzt um sich seine Lebendigkeit amtlich bestätigen zu lassen: Nach einigem Hin und her erklärte sich die Telekom bereit, dem seines Telefones beraubten Mann zu glauben, dass er lebe, wenn er das per Fax bestätige – und weil sich das postalische Ableben des Pensionisten in seiner Nachbarschaft bis dahin noch nicht herumgesprochen hatte, lief sein Nachbar auch nicht schreiend davon, als der Mann plötzlich vor der Tür stand und fragte, ob er sein Faxgerät benutzen dürfe (sein Telefon war ja abgeschalten), sondern ließ ihn ein und gewähren.

Ob der Pensionist sich seinen Briefträger dann vorgeknöpft hat, geht aus den von G. geschickten Berichten nicht hervor. Nett wäre diese Vorstellung aber schon – vor allem dann, wenn sich G. nächtens, blass geschminkt und mit Ketten rasselnd seinem Zusteller offenbart: Als Geist aus dem Postfach.