". . . weiß bleiben" - leicht verfremdetes Titelblatt-Sujet der RFJ-Postille "tangente" zum Thema "Europa, quo vadis?".

Die BZÖ-FPÖ-Turbulenzen werden heftiger, die Rufe nach Neuwahlen lauter. Doch Bundeskanzler und ÖVP-Generalsekretariat raten zur Beruhigung. Die Regierungsarbeit sei erfolgreich und auch die EU-Präsidentschaft Österreichs 2006 werde professionell vorbereitet und abgewickelt werden.

Tatsächlich wurden zu diesem Behufe in Österreich bereits im vergangenen Herbst zusätzliche temporäre Stellen geschaffen und zahlreiche Experten via "Job-Börse" im Bundeskanzleramt ausgewählt, die den Ministerien bei der Vorbereitung und reibungslosen Abwicklung des EU-Ratsvorsitzes bis zur Jahresmitte 2006 helfen sollen.

In diesem Zeitraum sind wichtige Themenbereiche zu behandeln – Stichworte: Finanzierungsplan, neues Forschungsprogramm, Erweiterungsdiskussion. Und wie sich oftmals gezeigt hat, eröffnet die Periode des EU-Vorsitzes dem jeweils verantwortlichen Land die Chance, sich mit kompetenter Vorbereitung und reibungsfreier Organisation hohes Ansehen als unparteiischer Vermittler zu erwerben. Zumindest im Ressort für Verkehr, Innovation und Technologie, unter Vizekanzler Hubert Gorbach, laufen die Entwicklungslinien jedoch offenbar in eine ganz andere Richtung:

Anstelle eines erfahrenen Verwaltungsbeamten und/ oder ausgewiesenen EU-Experten arbeitet dort seit einigen Wochen als zentraler EU- Koordinator für die Sektion Forschung und Technologie eine externe junge Kraft. Gemäß einer Weisung des (erst im Dezember 2003 nach einem umstrittenen Auswahlverfahren neu ernannten) Sektionsleiters Mag. Reichhardt obliegt es nun diesem neuen Mitarbeiter, Herrn Andreas Zacharasiewicz, die Positionspapiere des BMVIT zu zentralen Themen der Sektion Innovation gegenüber der EU zu finalisieren und strategisch abzustimmen.

"US-Primitivkultur"

Der junge Mann war zuvor Grundsatzreferent in der FPÖ- Jugendorganisation RFJ und hat in deren Mitgliederblatt tangente (rfj.at) einige Beiträge veröffentlicht – darunter auch einen unter dem schönen Titel "Grundgedanken zu Europa" (Ausgabe 2/ 04), der es verdient, einem breiteren Publikum vorgestellt zu werden.

Zacharasiewicz schreibt: "Jeder Mensch, egal welchem Volk und welcher Rasse zugehörig, hat das Recht, seine Identität zu bewahren." Bedauerlicherweise werde jedoch "das Ziel, die ethnische Identität des eigenen Volkes zu bewahren, durch mehrere Tendenzen erschwert, wie die Einwanderung aus dem Süden (...) und den Kulturverlust durch Import von Primitivkultur, speziell aus den USA".

Der Verfasser erinnert daran, dass "Europa als Wiege der Weißen" sich oft genug in der Geschichte gegen außereuropäische Eroberer behaupten und ums nackte Überleben kämpfen musste: "... gegen die Hunnen (Nibelungensage!), (...) gegen die Türken. Plump gesagt: Nicht nur wir, auch die anderen haben genug Dreck am Stecken."

Zu seinen zentralen Forderungen gehört die definitive Absage eines EU-Beitrittes der Türkei. Diese könne nämlich "als islamischer und außereuropäischer Staat niemals Mitglied der Europäischen Union werden!"

Hohen Stellenwert schreibt er auch dem Streben nach "einer europaweit abgestimmten Familien- und Bevölkerungspolitik" zu, "mit einem Bekenntnis dazu, dass Europa ,weiß‘ ist ..."

Zum Abschluss seines Artikels wird der besondere Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit der rechts der Mitte stehenden Parteien zum Ausdruck gebracht: "Bei dieser Kooperation kommt dem Kampf um die Meinungsfreiheit und gegen die ,Politische Korrektheit‘ eine zentrale Bedeutung zu."

Wie die vom RFJ angestrebte "europäische Integration" verlaufen sollte, beschreibt das Blatt in einem anderen Beitrag: "Europäische Freunde – der RFJ bei den Vlaams Blok Jongeren (...) ein herzliches Verhältnis zeichnete den gesamten Besuch aus (...) als Symbol für eine zukünftige Zusammenarbeit bekam der RFJ auch die offizielle Flagge (...) überreicht." Der Vlaams Blok "... könne nicht nur ein politisches Vorbild, sondern auch ein wirkliches Vorbild politischer Arbeit sein."

Noch acht Monate bis zum Beginn des EU-Vorsitzes, noch genug Zeit also, nachzudenken:

  • 1. Wie gelangt ein Staatsbürger, der solche Texte absondert, in den zentralen Bereich eines Ressorts und erhält Einfluss auf die Gestaltung interner Strategiedokumente?
  • 2. Wie viele spezielle Anstellungen für Parteigünstlinge verkraftet ein Ressort?
  • 3. Erwartet die österreichische Bundesregierung, erwartet die ÖVP ernsthaft, dass auf der Grundlage des obzitierten "Wertedenkens" einvernehmliche Positionspapiere für das zukünftige Europa entstehen werden?
  • Nur die Ruhe?

    Die Hintergründe der vielen wundersamen Job-Rochaden in diesem Ressort wird schon bald der Rechnungshofausschuss des Nationalrates diskutieren. Hier geht es aber, denke ich, um Wichtigeres als die Vermeidung von Mehrkosten: um die Position Österreichs in der Europäischen Union und um den politischen Flurschaden, den Apologeten des rechtsradikalen Vlaams Blok anrichten können, wenn sie in dieser kritischen Phase an Schaltstellen der Ressorts sitzen. – Kein Grund zur Beunruhigung?(DER STANDARD, Printausgabe, 14.04.2005)