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Foto: APA/EPA/Leica AG
Solms - Seine Leica war für den legendären Fotografen Henri Cartier-Bresson "wie ein dicker, heißer Kuss". Unzählige Profis und Amateure bekommen glänzende Augen, wenn sie von den hochklassigen Objektiven und der technischen Präzision der Kameras schwärmen. "Die Leica ist der Ferrari der Fotografen", rühmt der Präsident des Deutschen Verbandes für Fotografie, Georg Holzmann. Doch die Liebhaber müssen um den Mythos bangen: Das Traditionsunternehmen aus dem mittelhessischen Solms ringt ums Überleben, weil es die Digitalisierung verpasste.

Die Hiobsbotschaften haben sich in jüngster Zeit gehäuft: Für 2004/05 (31. März) erwartet das Unternehmen einen operativen Verlust von 12,8 Mio. Euro. Die Umsätze sind in allen Teilen der Welt rückläufig und nähern sich der Marke von 100 Mio. Euro. Die Banken kündigten teilweise ihre Kreditlinien, seit Februar verhandelt die Leica Camera AG mit den sechs Geldgebern.

Kapitalmaßnahmen

Bei einer außerordentlichen Hauptversammlung am 31. Mai sollen Kapitalmaßnahmen beschlossen werden. Wie das Rettungspaket aussehen könnte, davon dringt nichts nach außen. "Innovationen, verbesserte Distribution und verstärkte Kommunikation", kündigt Leica-Sprecher Gero Furchheim vage an. Weitere Kündigungen seien hingegen nicht geplant. Dennoch seien die Mitarbeiter verunsichert, sagt Betriebsratsvorsitzender Edgar Zimmermann.

Es ist nicht die erste Sanierungsrunde bei Leica. Bereits kurz nach Börsengang 1996 war die Firma in Schwierigkeiten geraten, der Kurs sinkt seit Jahren kontinuierlich. Im August 2004 hat die Salzburger ACM Projektentwicklung, hinter der die Industriellenfamilie Kaufmann steht, 27,2 Prozent der Aktien erworben, "nicht als Kurzstrecke, sondern als Marathonlauf mit hoffentlich gutem Ausgang". Konkrete Pläne sind bisher jedoch noch keine bekannt.

In den vergangenen vier Jahren hat der Kamera- und Ferngläserhersteller 400 Stellen abgebaut. 1050 Beschäftigte arbeiten derzeit weltweit noch für das Unternehmen, 415 davon in Solms. Die hand-gefertigten Apparate werden außer in Mittelhessen auch in Portugal produziert. Wegen der Restrukturierungen habe Leica keine Reserven aufbauen können, sagt Furchheim: "Wir haben zu wenig Speck."

"Den digitalen Vormarsch verschlafen"

Leica hat sich nach Ansicht von Kritikern zu spät auf die neue Pixel-Welt eingelassen. "Sie haben an der traditionellen analogen Kameratechnik festgehalten und den digitalen Vormarsch verschlafen", bemängelt Holzmann. Die Firma räumt zwar Fehler ein, argumentiert aber mit den bisher "kurzen Lebenszyklen" im Digitalmarkt, die der Leica-Philosophie von Langlebigkeit und Qualität entgegenstünden. "Jetzt wird aber nicht mehr alle sechs Monate eine neue Pixel-Grenze durchstoßen, da lohnt sich eine Investition auch für einen längeren Zeitraum", sagt Furchheim. Das digitale Geschäft, bisher ein Fünftel des Umsatzes, soll künftig die Hälfte ausmachen.

Die "Ur-Leica" wurde 1925 auf der Leipziger Frühjahrsmesse vorgestellt. Mit dem handlichen Apparat eroberte der Schnappschuss die Fotografie, die Leica - Abkürzung für Leitz Camera - avancierte zum Verkaufshit. "Die Leica ist eines der wenigen Luxusprodukte, die noch in Deutschland hergestellt werden", meint Axel Roßwog, Präsident des Sammlervereins Leica Historica. Die weltweit bekannte Marke wird nach Ansicht von Holzmann auf jeden Fall bleiben: "Aber vielleicht nicht in Solms, sondern Shanghai oder Taiwan." (Julia Ranniko, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.4.2005)