Uschi Papamikes
Säuglingsschwester und Stillberaterin
Ich habe lang darüber nachgedacht, was für mich den neuesten oder letzten Schrei versinnbildlicht. Kommerzielle Geschichten sind mir dazu aber keine eingefallen. Da bin ich wohl die Falsche dafür. Ein Bild, das sich mir allerdings aufdrängte, war ein Vater, auf dessen Brust sein beinahe neugeborenes Kind schlief. Ich sah die beiden anlässlich eines Termins bei einer jungen Mutter zur Stillberatung. Wie die zwei so dalagen, dachte ich mir, dass es in unserer hektischen Welt viel zu wenig Zeit gibt. Es sollte ein Trend werden, wieder mehr Zeit mit seinen Lieben zu verbringen. Kuscheln und mehr Zärtlichkeit wären meiner Meinung nach ein toller neuester Schrei. Und unterm Strich kann dann sogar ein erster Schrei daraus entstehen, oder?

Foto: Pawloff

Bernhard Gold
Sänger der Jaybirds und der Club-Gourmet-Gold-Combo
Nach einigem Hin und Her hab ich mich dazu entschlossen, die aktuellen Zeichnungen meiner vierjährigen Tochter zu meinem derzeit neuesten Schrei zu erklären. Die Bilder von ihr finde ich super, und auf dem Foto ist eine Ausstellung von ihr zu sehen, die aus selbst gebastelten Briefen besteht und an einem Wäscheständer gezeigt wird.
Ansonsten bezieht sich der letzte Schrei aufgrund meiner musikalischen Interessen zum Beispiel auf bestimmte Vinylplatten. Das kann eine Single aus dem 67er-Jahr sein, von der nur 500 Stück produziert wurden. Ich krieg natürlich die neuesten technischen und musikalischen Entwicklungen schon auch mit. Ich würd außerdem sagen, dass ich anfällig bin für Dinge, die so als neuester Schrei durch die Gazetten geistern. Zum Beispiel interessiere ich mich für aktuelle Designerstücke, die sich an den 60er-Jahren orientieren.

Foto: Pawloff

Robert Rüf
Industriedesign-Student an der Universität für angewandte Kunst in Wien
Ich will ja hier nicht als Trendsetter oder Werber auftreten. Wie etwas hip wird? Ich denke, es ist neben dem richtigen Produkt zum richtigen Preis zur richtigen Zeit auch Zufall dabei. So ein Objekt muss in gewissem Maße auch
visionär sein. Als Beispiel kommen wir da wohl am i-pod nicht vorbei. Als Designer haben's mir zurzeit besonders die Haushaltsgeräte von Jasper Morrisson angetan, die er für Rowenta gestaltete. Auch ich würde mir von meiner Zukunft mehr wünschen, Dinge gestalten zu können, die eher langfristig gewisse Verbraucher erfreuen, als ein kurzfristiges Super-Must-Have zu kreieren. Das ist auch der Grund, warum ich ein Glas Vanillemilch als Symbol für diese Haltung gewählt habe. Es geht mir mehr um Inhalte als um Trends und Oberflächlichkeiten. Vanillemilch schmeckt mir und begleitet mich immer wieder durchs Leben. Dem letzten Schrei wohnt für meine Begriffe viel zu stark das Kurzlebige inne.

Foto: Pawloff

Harald Schwammer
Zoologe und stellvertretender Direktor des Tiergartens Schönbrunn
Eigentlich lass ich mir nicht gern von irgendwelchen Kommerzströmungen reinfunken und fühle mich auch ziemlich gefeit von allem, was da hip genannt wird. Ganz kommt man solchen Strömungen freilich nicht aus. Die letzte Welle, auf der ich sozusagen ein wenig mitgesurft bin, war die Geschichte mit dem Westernlook vor ein paar Jahren. Auch der Landhausstil, so das Rustikale im Wohnbereich, beeinflusst meine persönliche Umwelt. Ansonsten ist aktuell der Gesang der Gibbons mein letzter Schrei. Nach dem langen Winter kommt unsere Gibbonfamilie gerade jetzt wieder gern ins Freie, kraxelt auf die Bäume und begrüßt den Tag mit einer Art Gesang. Das hört man bis Hietzing und dauert so zehn Minuten. Das Elternpaar singt abwechselnd in die Morgensonne, das Junge und das kleine Baby hören dabei zu. Ich würde diesbezüglich noch gern eine kleine Geschichte aus Thailand erzählen: Der Ruf des Gibbonweibchens klingt wie das Thai-Wort für Ehemann. Laut Überlieferung hat die Gottheit Indra den Gibbon aus einer schönen Frau erschaffen, weil diese ihren Mann betrogen hatte und nun in Gibbon-Gestalt jeden Morgen nach ihrem Ehemann ruft.

Foto: Pawloff

Marta Schreieck
Architektin (Henke und Schreieck)
Der letzte Schrei ist etwas, was mich weniger bewegt. Natürlich bin ich auch berufsbedingt irgendwie mit solchen Dingen konfrontiert, mit Designobjekten im eigentlichen Sinn umgebe ich mich aber nicht. Zu Objekten, die mir wichtig sind, hab ich einen persönlichen, emotionalen Bezug. Es handelt sich dabei auch um Dinge, die ich von Reisen mitbringe, zum Beispiel Keramiken aus China oder Skulpturen aus Afrika. Aber die richtig hippen Sachen, die gehen an mir vorbei, was nicht heißt, dass ich sie nicht wahrnehme. Haben muss ich sie aber nicht. Ich wechsle auch ungern einen Gebrauchsgegenstand, wenn ich mich einmal für einen entschieden habe. Auch betreffend all die neuen Handys, die alles können, tut sich mir die Frage auf, wozu das alles gut sein soll. Ich hab die Dinge gern extra und getrennt. In der Architektur streben wir eigentlich nicht nach etwas wie dem neuesten Schrei. Da geht es schon um Auseinandersetzungen, die komplexer sind, bei denen es nicht nur darum geht, am Puls der Zeit zu sein. Man sollte Architektur nicht mit Design verwechseln. Natürlich sind wir aber bestrebt, die neuesten Materialien und Technologien in unsere Arbeit einzubringen. Meistens wird ja der letzte Schrei über Formen transportiert. Das interessiert uns weniger.

Foto: Pawloff

Barbara Skoda
Technische Managerin der Medientechnikschule SAE
Durch meinen Beruf verwende ich so ziemlich alles, was neu an Medientechnik ist. Da hab ich ein richtiges Faible dafür. Ich teil das aber kaum in neuester Schrei oder solche Kategorien ein. Wenn etwas neu ist, dann verwende ich's einfach. Wo ich zurzeit total hineinkippe, ist pod-casting. Dabei handelt es sich um eine Art Radio für MP3-Player. Man kann sagen, bei uns ist das jetzt ganz stark im Kommen. Das Aussehen solcher Geräte ist mir schon sehr wichtig, aber durch meinen technischen Beruf ist die Funktionalität freilich schon ausschlaggebend.
Aufgezeichnet von: Michael Hausenblas
Fotos: Aleksandra Pawloff
(Der Standard/rondo/09/04/2005)

Foto: Pawloff