Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war neulich. Beim Billa. Und noch einmal, erzählt B., werde ihm das nicht passieren. Weil er nicht einmal mehr Kinder mit einem Kaugummi an sich vorbei lasse. Und auch Mütter, die mit quängelndem Kleinkind im Brustgurt und einer Packung Babyfrischmilch vorbei wollen, werde er in Zukunft blockieren.

Normalerweise sagt B. – und korrigiert sich: bisher, meint B. also, sei er ein freundlicher Supermarktschlangesteher gewesen. Wenn da irgendwer mit zwei Trümmern hinter ihm (B. hat drei Kinder und meist ein volles Wagerl) gestanden sei, habe er – bisher - meist von sich aus angeboten, sich überholen zu lassen. Umgekehrt, meint B., erwarte er – meist zu Recht – schließlich die selbe Behandlung.

Wienwoche

Aber nun, sagt B., reiche es. Er wohnt in der Nähe eines Heimes, das von Wienwochenschulklassen gerne besucht wird. Und die Wienwöchner haben die Angewohnheit, den Billa in Heuschreckenmanier heim zu suchen: Anstatt einen mit einer Liste zu schicken, stehen 52 pubertierende Bundesländler in der Schlange ­und jeder zahlt eine Tafel Schokolade mit Centstücken.

Wenn man da nicht aufpasse (B. gibt zu, dass ihm das eher bei 16-jährigen Mädchen mit zu knappen Tops passiere, als bei deren ungewaschenen und pickeligen männlichen Alterskollegen, aber am Phänomen, beteuert er, ändere seine selektive Blödheit nichts) könne es rasch passieren, dass man einen Einzelwurstsemmelkäufer vorbei lasse. Und der (oder die) habe dann nichts besseres zu tun, als den ganzen Bundesländertross vorbei zu lassen.

Lektion für später

Das passiere, sagt B., in letzter Zeit immer öfter. Und er vermutet, dass dieses Mätzchen entweder auf ein Klo, auf eine Kastenwand oder in die Heim-Ordnung geschrieben worden ist: Jugendliche mit ruralem Dialekt, gesteht B., lasse er deshalb nicht mehr vor. Wiener, sage er den Kids, wenn sie raunzen, seien eben unfreundlich. Und wenn sie daran dächten, einmal hier zu studieren, sei das gleich eine Lektion für die Zukunft.

Seit kurzem, sagt B., sei auch sein Erwachsenen-Vorbeilass-Ofen aus: Eine Mutter mit auf die Brust geschnalltem Säugling habe ihn gefragt, ob sie mit einem Milchpackerl vorbei dürfe. Natürlich habe er Platz gemacht. Aber so schnell, wie die Frau dann ihren Mann mit knackevollem Großfamilienwochenendeinkaufswagen herbei gewunken habe, habe er gar nicht schauen können. Zum Drüberstreuen hätte das Paar dann sämtliche Obstsackerln nachwiegen gehen müssen und danach hätten ihre Bankomatkarten gesponnen.

B. war fertig. Zum Glück. Denn mittlerweile war die endlose Schlange vor der einzigen geöffneten Billakasse (wozu gibt es eigentlich die Schilder, auf denen steht, dass ab dem sechsten Kunden eine zweite Kasse geöffnet wird?, fragte B. irgendwann) so weit gewandert, dass B. beginnen konnte, sein Wagerl aufs Förderband umzuladen. Es dauerte: Es war Wochenende und B. hat Kinder.

Danach zahlte ich meinen Joghurtbecher. B. stand am Packtisch: Er hoffe, sagte er, als ich an ihm vorbei ging, ich würde das nicht persönlich nehmen. Aber er habe jetzt eben Prinzipien.