Foto: Standard/Regine Hendrich
STANDARD: Herr Minister, in Europa wird der Ruf nach Atomenergie lauter, gerade im Hinblick auf den Klimaschutz. Gibt es überhaupt eine Alternative zur Kernspaltung, um den wachsenden Energiehunger zu stillen? Pröll: Atomkraft ist für mich keine nachhaltige Zukunftsenergieform. Die möglichen Folgeschäden sind zu groß. Auch die Fragen der Endlagerung sind nicht wirklich geklärt. Europa sollte sich stärker mit Fragen der Energieeffizienz befassen. Da geht es um neue Technologien, aber auch um Bewusstseinsbildung. Es geht aber auch um die Wasserkraft, die weiter ausgebaut werden kann und soll.

STANDARD: Ab 1. Oktober 2005 soll es in Österreich flächendeckend Treibstoffe geben mit 2,5 Prozent Biospritbeimischung; bis 2008 soll dieser Anteil auf 5,75 Prozent steigen. Was soll das bringen?
Pröll: Damit setzen wir ein europäisches Ziel wesentlich ambitionierter um und sparen massiv CO ein, was uns bei der Erreichung des Klimaschutzziels hilft. Außerdem verringern wir dadurch die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen.

STANDARD: Gibt es einen Rohstoffversorgungsplan für Biotreibstoffe?
Pröll: Keinen spezifischen. Die Mineralölfirmen wissen seit vorigem Herbst, wie die Rahmenbedingungen aussehen. Sie werden sich entsprechend eindecken.

STANDARD: Es gibt Berechnungen, wonach für den Aufbau einer Biodieselproduktion auf Rapsbasis rund 300.000 Hektar Ackerfläche erforderlich wäre, ein Vielfaches dessen, was wir heute haben.
Pröll: Es geht nicht darum, dem Diesel in der Endphase 5,75 Prozent Biodiesel zuzusetzen, sondern insgesamt 5,75 Prozent biogene Treibstoffe beizumischen. Da geht es auch um Ethanol aus Zuckerrüben, Mais oder Getreide. Insofern ist es unzutreffend, dass wir 300.000 Hektar brauchen für Raps.

STANDARD: Kann Österreich autark sein bei biogenen Treibstoffen?
Pröll: Es wird schwierig werden, alles aus österreichischer Produktion zu bedienen. Mein Ziel ist es aber, dass möglichst viel aus Österreich kommt.

STANDARD: Was sagen Sie Kritikern, die von reiner Bauernförderung sprechen und anführen, die Energiebilanz des Biosprits sei schlecht. Zwar sinke der CO-Ausstoß, im Gegenzug würden aber deutlich mehr Stickoxide freigesetzt.
Pröll: Wir haben keine vermehrbaren Flächen. Schon jetzt bauen wir all diese Kulturen an, von Raps über Getreide bis zu den Rüben. Was sich ändert, ist der Verwendungsmix. Statt in die Nahrungsmittelproduktion geht ein größerer Teil in die Energieproduktion. Damit können wir die Abhängigkeit vom Erdöl verringern, was gerade bei den derzeitigen Rekordpreisen bei Erdöl interessant ist. Und nebenbei sparen wir noch eine Million Tonnen CO ein.

STANDARD: In Landwirtschaftskreisen wurde die Forderung nach einem Flankenschutz erhoben. Mittels Zöllen sollte billiges brasilianisches Ethanol aus Europa draußen gehalten werden. Wie stehen Sie dazu?
Pröll: Wir haben etwa bei Ethanol eine Reinheit von 99 Prozent vorgeschrieben. Außerdem müssen Rohstoffe für Biodiesel und Ethanol europäischen Produktionsbedingungen entsprechen. Damit sollte der Frage der Abgrenzung und der Wettbewerbsfähigkeit genüge getan sein.

STANDARD: Die Autofahrerklubs befürchten, dass sich Biosprit trotz steuerlicher Entlastung um einen halben Cent je Liter an der Zapfsäule verteuert, weil der Preis der Rohstoffe durch starke Nachfrage steigen wird. Sind die Sorgen berechtigt?
Pröll: Ich kann diese Befürchtungen nicht teilen. Die Autofahrerklubs sollten die Energie, die sie in Szenarien über mögliche Preisentwicklungen von Biotreibstoffen stecken, besser für Überlegungen einsetzen, wie die unglaubliche Entwicklung im fossilen Energiebereich bewältigt werden kann. Durch die Beimischungsverpflichtung substituieren wir im Endausbau rund 600 Millionen Liter - gemessen an den derzeitigen Tankmengen.

STANDARD: Kommt es Ihnen nicht sogar gelegen, wenn die Treibstoffpreise steigen und sich dem Niveau der angrenzenden Länder annähern? Der Tanktourismus stört ihre Schadstoffbilanz beträchtlich. Pröll: Ich habe kein Interesse, dass mit den Biotreibstoffen die Preise an den Zapfsäulen steigen, ich will einen Umweltnutzen sehen. Für die Ökobilanz Europas und die Erreichung des Klimaschutzziels bringt es nichts, wenn ein Land die Preise erhöht und den Tanktourismus ins nächste weiterschiebt, wo dann die gleiche Menge getankt wird, ohne dass sich am Mobilitätsverhalten etwas ändert. (DER STANDARD – Printausgabe,05.04.2005)