Mona Hatoum zeichnet in "Measures of Distance" ein vom Klischee gelöstes Bild der arabischen Frau.
Foto: Western Front V.
Wien - "Ich würde Worte wie 'Orient', 'Schleier', 'Islam', 'Sheherazade', 'Fatima' im Titel generell vermeiden", appellierte die im Libanon geborene Lara Baladi im Vorfeld der aktuellen Ausstellung in der Kunsthalle - gezeigt werden Videoarbeiten von Künstlerinnen aus Ägypten, Algerien, Iran, Libanon, Palästina, Syrien. Ursprünglich sollte die Ausstellung Leila und Nur beziehungsweise Sheherazade. Weiblichkeit im Islam heißen. Nein danke, protestierten die teilnehmenden Künstlerinnen. Darauf wollten sie nicht reduziert werden.

Zudem verwehrten sie sich gegen das, was bereits der palästinensische Theoretiker Edward Said kritisierte: Verschiedenste Länder und Religionen in einen Topf werfen, denen lediglich gemein ist, dass sie anders sind als der "Westen". Die Ausstellung heißt nun schlicht und unverbindlich Some Stories. Dank reger Diskussion und Kritik im Vorfeld. Und diese ist auch umfassend dokumentiert - das ist der eigentliche Clou: Auszüge des E-Mail-Verkehrs zwischen Kuratorinnen und Künstlerinnen sind an die Wand appliziert. Geschickt pariert man so möglicherweise aufkommende Kritik.

Insgesamt also ein "Happy End" für Some Stories. Denn die, auf nahezu frei im Raum schwebenden Flächen, projizierten Videoarbeiten sind alles andere als klischeehaft, auch wenn die Künstlerinnen mitunter mit Klischees spielen. So wie Lara Baladi.

Während eines Japan-Aufenthalts fing sie allgegenwärtige mythosorientierte Bilder und Töne der arabischen Welt ein: Erotik, Bauchtanz, Oriental-Pop. Montiert mit den sexuellen Schablonen von Manga-Comics, Latex-Puppen und Straßendirnen entstand ein schnell geschnittener Clip der es versteht, den stereotypen Blick zu brechen.

Wesentlich ruhiger, aber ebenso mit der emotionalen, intuitiven Ebene spielend, die Arbeit Passage von Shirin Neshat. Rätselhafte Aufnahmen, verwoben mit mystischer Musik von Philip Glass, schildern ein Begräbnisritual in der Wüste. Stilisiertes Schwarzweiß verstärkt die unwiderrufliche Trennung der Geschlechter: hier das stumme Klagelied der unermüdlich im Sand grabenden Frauen, dort die Prozession der Männer mit dem Leichnam.

Handarbeiten

Dagegen ein Mädchen in Folding von Gülsün Karamustafa: Schicksalsergeben sitzt sie in einem Berg traditioneller Stickereien, die sie Stück für Stück faltet. Ebenso eindringlich eine Handarbeit in The Room von Amal Kenawy: In Spitzenhandschuhen und mit kleinen Stichen wird das pulsierende blutige Herz perlenbestickter Teil der perfekten Inszenierung einer Braut.

Auch das Rollenbild der Mutter wird seziert: Schwangere - visuell auf die Körpermitte reduziert - lässt Diana El Jeroudi in The Pot über sich erzählen. Auch Mona Hatoum zeichnet mit Measures of Distance ein differenziertes Bild der arabischen Frau, losgelöst von der Vorstellung von Passivität und Asexualität der Mutter. Insgesamt viele bunte Einzelteile, keine Eindeutigkeiten. Some stories eben. Einmal ein dezenter Titel. Das steht der Kunsthalle gut. Bis 24.4. (Der Standard, Printausgabe, 4.4.2005)