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Arnon Grünberg:
Der Vogel ist krank"
Deutsch von Rainer Kersten. € 23,60/496 Seiten. Diogenes, Zürich 2005.

Foto: Archiv
Arnon Grünberg alias Marek van der Jagt gehört zu den Darlings der jüngeren niederländischen Schriftstellergeneration. Er sei ungeheuer komisch, wird ihm nachgesagt. Wer noch nichts von ihm kennt und Der Vogel ist krank liest, wird dies Einschätzung schwerlich teilen können. Gewiss, die Idee selbst scheint einiges an (schwarzer) Komik bereitzuhalten. Die langjährige Lebensgefährtin Christian Becks hat Krebs und nur noch kurze Zeit zu leben. Sie will noch irgendwie nützlich sein, also heiratet sie einen algerischen Asylwerber, um ihm damit die Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu beschaffen. Der wortkarge Mann zieht in die Wohnung ein, und Beck sieht sich nun mit einer sehr seltsamen Dreieckssituation konfrontiert. Das könnte durchaus Stoff für eine Komödie sein, wirkt aber zunehmend irritierend. Denn Beck findet sich erstaunlich schnell mit dem neuen Bewohner ab. Er ist nicht besonders eifersüchtig, hat er doch sexuell zu seiner Freundin schon lange keinen Kontakt mehr. Überhaupt hat der mieselsüchtige Beck sehr wenig Berührungspunkte zum Leben im Allgemeinen. Einst wollte er Schriftsteller werden, jetzt ist er in einem Büro als Übersetzer für Gebrauchsanweisungen gelandet und versieht diesen Job gewissenhaft. Ein eingängiges Symbol für verwelkte Ambitionen. Becks enervierende Teilnahmslosigkeit dehnt sich allmählich auch auf den Leser aus.

Dabei sind mache Szenen mit ihren funkelnden, sarkastischen Dialogen von schriller Grausigkeit. Wenn Beck den Raketenalarm im Puff von Eilat schildert, bei dem Kunden und Huren halb nackt in den unterirdischen Schutzkeller gepfercht, in Panik wegzukriechen versuchen, gefriert einem das Blut in den Adern. Nichts ist niederschmetternder als der Biobauernhof, wo das Trio einen Kurs zur Zubereitung von Ziegenkäse absolviert - ein letzter, absurder Wunsch der sterbenden Freundin.

Der Vogel ist tot handelt vom nicht gelebten Leben, es ist eine illusionslose Betrachtung der letztlich lächerlichen Glückserwartungen und trotzdem ein vager Hoffnungsschimmer für die Liebe, sei sie auch noch so spät und verkümmert. Komisch ist das alles nicht, eher ein Fall für den Psychotherapeuten. Aber dann gäbe es ja keinen Beck und ergo auch nicht diesen Roman von Arnon Grünberg. (ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 02./03.04.2005)