Den gelernten Österreicher überrascht nicht, dass sich politische Besetzungen im Schulsystem durch alle Hierarchiestufen ziehen. Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?

Foto: Elmar Gubisch

Steiermark, Bezirk Hartberg-Fürstenfeld: In der Bildungsdirektion werden drei Posten als "Schulqualitätsmanager für die Bildungsregion Oststeiermark" ausgeschrieben. Das ist quasi das Nachfolgeamt für den früheren Bezirksschulinspektor. Damit bei solchen Besetzungen Parteipolitik weitgehend außen vor bleibt, wurden vor einem Jahr bundesweit Begutachtungskommissionen eingesetzt, die die Bewerber nach objektiven Kriterien beurteilen sollen. Von acht Kandidaten wird diesmal nur eine Frau als "höchst geeignet" empfohlen und zu einem Hearing eingeladen; die anderen sieben werden auf Basis ihrer Bewerbungen als "nicht geeignet" klassifiziert. Streng, aber fair, würde man meinen.

Doch dann schickt ein Kommissionsmitglied die E-Mail mit seinen Bewertungen irrtümlicherweise nicht nur an seine drei Kollegen im Begutachtungsgremium, sondern auch an alle steirischen Pflichtschulen. Der Leak wird öffentlich. Und plötzlich wird es klar: Die gesamte vierköpfige Kommission ist ÖVP-nahe. Dass eine solche Kommission sich für eine Kandidatin ausspricht, die gegen die bildungspolitischen Vorstellungen der Volkspartei arbeitet, ist so gut wie auszuschließen.

Gesetzlich korrekt

Gesetzlich ist alles gedeckt. In der Kommission sitzt entweder die Bildungsdirektorin oder der Bildungsdirektor des Bundeslandes – oder ein Vertreter. Dazu kommt die Leitung des Bereichs Pädagogischer Dienst oder ein Vertreter – und zwei Personalvertreter (Gewerkschaft, Zentralausschuss). In der Steiermark, wo die SPÖ bis vor kurzem viel Einfluss hatte, sind die dennoch alle schwarz. In anderen Ländern haben auch Rote etwas zu sagen. Die Ernennung spricht schließlich Bildungsminister Heinz Faßmann aus – parteilos, aber von der ÖVP nominiert.

"Dass es parteipolitische Einflussnahme überhaupt nicht gibt, ist Unsinn." Das sagt nicht irgendjemand, sondern Johann Pauxberger. Er ist Vorsitzender des Zentralausschusses und in fast allen Begutachtungskommissionen vertreten. Im oben geschilderten Fall habe es aber "zu hundert Prozent" keine politische Einflussnahme gegeben. Dass das Gremium selbst ÖVP-dominiert sei, sei aber nicht von der Hand zu weisen, wie er dem STANDARD sagte.

"Gelebte Realverfassung"

Andere hochrangige Personen aus dem Schulumfeld wollten nur unter Zusicherung von Anonymität sprechen. Natürlich würden großteils Personen für höhere Schuljobs berücksichtigt, die je nach Region entweder der ÖVP oder der SPÖ nahestünden. "Das ist gelebte österreichische Realverfassung", heißt es. "Die Gesetzgebung im Bildungsbereich ist aber auch so, dass Postenbesetzungen mit der Kommission gar nicht unpolitisch sein können."

Pauxberger lobt hingegen die transparenten Verfahren, die mit der Installierung der Kommission seit dem Vorjahr möglich seien. "Damit ist ausgeschlossen, dass völlig ungeeignete Personen Führungspositionen erlangen." Im Umkehrschluss heißt das, dass das in der Vergangenheit möglich war. Einen Bildungsbereich ohne Parteipolitik hält er für nicht realistisch: "Dass sich die Politik hier völlig hinausdrängen lässt, wird nicht passieren."

Penible Kriterien

Der Fall in der Oststeiermark, wo bei drei Postenausschreibungen nur eine einzige Bewerberin als höchst geeignet empfohlen wurde, hat Konsequenzen. "Das Ministerium muss zwei Posten neu ausschreiben", sagt Elisabeth Meixner, Bildungsdirektorin und auch Vize-Parteichefin der steirischen ÖVP, dem STANDARD. Damit bleiben zwei Positionen vorerst unbesetzt. Auch in drei weiteren Fällen müssten Schulqualitätsmanagerposten aufgrund mangelhafter Bewerbungen neu ausgeschrieben werden.

Meixner erklärt das so, dass nicht wie früher ein Schwerpunkt auf die Hearings gelegt wird, sondern auf penibel erfüllte schriftliche Bewerbungskriterien. Auch ein Leitungskonzept wird eingefordert. "Das Verfahren ist ehrlicher geworden. Früher kam es darauf an, wie gut sich die Kandidaten beim Hearing präsentieren konnten", meint Meixner. Kritiker des Systems werfen ein, dass Bewerber aus formalen Gründen viel leichter als früher abgelehnt werden könnten – was wiederum der politischen Willkür Tür und Tor öffne. In der von der SPÖ geführten Bildungsdirektion Wien wird eingeräumt, dass man Bildungspolitik nicht komplett von Parteipolitik entkoppeln könne. Bei der Suche nach Lehrkräften sei das aber kein Thema. "Wir brauchen jeden Lehrer", heißt es. "Auch die, die sich in Ausbildung befinden."

Nur "Parteimarionetten"?

Den gelernten Österreicher überrascht freilich nicht, dass sich politische Besetzungen im Schulsystem durch alle Hierarchiestufen ziehen. Auch bei der Besetzung von Schulleitern gibt es ein Auswahlverfahren mittels Kommission – mit gleicher parteipolitischer Besetzung. Deutlich hat die Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger kritisiert, dass für den Direktorenposten immer noch das Parteibuch entscheiden würde. In ihrem Buch Machtkampf im Ministerium beklagte die Ex-Ombudsfrau für Wertefragen im Ministerium, dass nicht die kompetentesten Bewerber befördert würden, sondern "Parteimarionetten". Damit würden "unfähige", aber linientreue Schulleiter Fähigeren – wie Wiesinger glaubt – vorgeben, was sie zu tun hätten.

Ein Eindruck, den nicht alle teilen. Bildungsexperten und Pädagogen wollen den parteipolitischen Einfluss im Gespräch mit dem STANDARD zwar nicht offen beurteilen, weil es keine seriösen Studien oder gar empirische Zahlen gibt. Sie stimmen aber darin überein, dass sich in den vergangenen Jahren einiges getan hat. Seit der Objektivierung der Verfahren sei sichtbar, dass nicht mehr nur reine Parteigänger eingesetzt würden, sondern auch Kompetenz zähle. "Die Situation, wie Wiesinger sie beschreibt, hat vor 20 oder 25 Jahren zugetroffen", meint Heidi Schrodt, ehemalige Direktorin des Wiener Gymnasiums Rahlgasse und wie Wiesinger rote Gewerkschafterin. "Früher haben sich Rot und Schwarz die Schulen aufgeteilt. Heute ist der Einfluss schwächer geworden, aber er ist sicher noch da." Für wirklich unabhängige Entscheidungen brauche es auch unabhängige Kommissionen.

Wenig Begeisterung lösten die einheitlichen Objektivierungsnormen hingegen in Oberösterreich aus. Zuvor konnten dort bei der Reihung von Bewerbern auch Lehrer und Elternvertreter mitbestimmen. Im Zuge des Bildungsreformgesetzes 2017 wurde das Vorzeigemodell obsolet.

Blaues Veto

Und dennoch hing der Haussegen durch politische Einflussnahme in manchen Bildungseinrichtungen Oberösterreichs in den vergangenen Jahren schief. So sorgte ein blaues Veto für Aufregung: 2017 war der Welser Extremismusexperte und Grünen-Politiker Thomas Rammerstorfer zu einem Vortrag an einer Linzer Schule geladen. Unter den gut 70 Schülern der achten Klassen befand sich auch der Sohn des damaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Roman Haider. Rammerstorfer referierte neben Salafisten, Staatsverweigerern und Grauen Wölfen auch über Burschenschaften und die FPÖ. Haider junior kontaktierte noch während der Veranstaltung seinen Vater – und der heutige EU-Mandatar seinerseits den Schuldirektor, der den Vortrag umgehend abbrach. Auf die danach aufkeimende Kritik reagierte die FPÖ eigenwillig: Es wurde eine anonyme Meldestelle für Parteipolitik in Schulen ins Leben gerufen.

Plötzliche Umreihung

Nicht minder war die Aufregung im Vorjahr rund um die Besetzung der Rektorenstelle an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. Mehr als zwölf Monate und zwei Bildungsminister lang dauerte die Nachbesetzung. Das pädagogische Fass zum Überlaufen brachte aber eine plötzliche Umreihung der Kandidaten. Im Dezember 2018 gab es ein Hearing, anschließend schickte der Hochschulrat als oberstes Gremium ein Gutachten mit einer klaren Empfehlung für den amtierenden, als SPÖ-nah geltenden Rektor Herbert Gimpl an das Ministerium. Doch völlig überraschend schaltete sich das Bildungsministerium ein – und schritt zur Umreihung. Der zweitplatzierte und ÖVP-nahe Walter Vogel wurde erstgereiht und ist heute Rektor.

Pikantes Detail: Leitende Beamtin im Bildungsministerium, die für die Steuerung der pädagogischen Hochschulen zuständig ist, war damals Vogels Ehefrau. Und: Den früheren Job Vogels als Vizerektor der Pädagogischen Hochschule Steiermark hat heute die ehemalige schwarze Justiz- und Wissenschaftsministerin Beatrix Karl inne.

Dass selbst bei Schulleitern eine parteipolitische Zuordnung möglich ist, liegt auch daran, dass Lehrer wie kaum eine andere Berufsgruppe stark gewerkschaftlich organisiert sind. Aber ob der Direktor nun rot oder schwarz ist – darin waren sich die befragten Pädagogen und Experten einig -, mache letztendlich keinen Unterschied für diejenigen, auf die das Schulsystem eigentlich gemünzt sein sollte: die Schüler. (Davina Brunnbauer, David Krutzler, Markus Rohrhofer, 31.1.2020)